Die Hypo-Hybris – und die überforderten Nachlassverwalter

Wer trägt eigentlich die politische Verantwortung für den Hypo-Skandal? Alle bis auf die Grünen. Wiewohl nicht alles so einfach war, wie es nun scheint.

Es war einmal ein aufgehender Stern der europäischen Bankenszene. Auf dem Weg zu einem internationalen Player sei die Hypo Alpe Adria, mit der Expansion in Südosteuropa sei man eines der am stärksten wachsenden Bankinstitute auf dem Kontinent, malte der damalige Vorstandsvorsitzende, Wolfgang Kulterer, die Zukunft in den rosigsten Farben aus. Das neue Selbstbewusstsein der vormals eher biederen Landesbank manifestierte sich in der neuen Konzernzentrale, einem Bau des US-Stararchitekten Thom Mayne am Klagenfurter Stadtrand.

Das Sendungsbewusstsein des Hypo-Chefs, politisch eigentlich der schwarzen Reichshälfte zuzuordnen, traf sich mit jenem des freiheitlichen Landeshauptmanns, Jörg Haider. Beide einte ein Ziel: von Klagenfurt aus im Konzert der Großen mitzuspielen. Ohne Rücksicht auf Verluste – wie immer vermutet und nun bewiesen.

Das war der erste Sündenfall – ein blauer. Mit schwarzer Beteiligung. Der damals mitregierende ÖVP-Chef, Josef Martinz, büßt das heute im Gefängnis. Und bei den Haftungen stimmte auch die SPÖ mit.

Sündenfall Nummer zwei war ein schwarzer mit roter Beteiligung. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verstaatlichte ÖVP-Finanzminister Josef Pröll mit SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder die bankrotte Hypo. Obwohl es Alternativen gegeben hätte. So steht es nun auch im Bericht der Griss-Kommission. Die rot-schwarz besetzte Nationalbank hatte zudem im Vorfeld das Ihre dazu beigetragen, indem sie die Bank als „not distressed“ einstufte.

Allerdings: Im Nachhinein liest sich die Geschichte immer anders – und einfacher. Der Druck, unter dem die Verhandler in jener Nacht vom 11. auf den 12.Dezember 2009 standen, war gewaltig. Die Chefs anderer Bankinstitute, die auch um ihren Ruf im Süden und Osten Europas bangten, meldeten sich zu Wort. Angela Merkel schaltete sich ein, EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Alle trieb die Sorge um, dass ein Kollaps der Hypo, verbunden mit einem Bank Run am nächsten Tag unabsehbare Folgen haben könnte. Auch im Hinblick auf die Stabilität auf dem Balkan.

Die Regierung wählte die einfachste Variante: die Notverstaatlichung. Die Bayern hatten hoch gepokert und gewonnen. Ein Umstand, den die Griss-Kommission zu Recht kritisiert. Denn im Gegensatz zu den Österreichern hatten sie eine juristisch fundierte Strategie.

Der größere Sündenfall passierte jedoch danach: es war wiederum ein schwarzer mit roter Beteiligung. Aus Rücksicht auf Wahlen und andere politische Stimmungsmessungen wurde unter ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter die Gründung einer Bad Bank immer wieder hinausgezögert. Der Kanzler sah lang zu – und wusste auch nicht recht, was tun. Alle hofften auf die Rettung von außen, einen Käufer, der nie kam. Spät, aber doch, forderte dann auch die SPÖ eine Bad Bank.

Dem viel gescholtenen Michael Spindelegger ist es immerhin zu danken, dass er mit der Einsetzung der anfangs belächelten Griss-Kommission einen wichtigen Schritt zur Aufklärung gesetzt hat. In der Sache retten konnte Spindelegger als Finanzminister aber auch nichts mehr.

Alle Parteien, ob FPÖ/BZÖ, ÖVP oder SPÖ, haben ihren Beitrag zum Hypo-Debakel geleistet. Die einen, die Freiheitlichen, als Verursacher. Die anderen, die Koalitionspartner von SPÖ und ÖVP, als überforderte Nachlassverwalter. Nur die Grünen hatten damit nichts zu tun. Bei den Kärntner Landtagswahlen 2013 wurden sie dafür auch schon belohnt. Allerdings: Die Grünen regieren noch nicht allzu lang in den Ländern mit, im Bund gar nicht. Deren Bewährungsprobe steht erst bevor.

Das Hypo-Schlamassel ist eine Geschichte der Selbstüberschätzung, verbunden mit Realitätsverlust, gefolgt von Überforderung und Ahnungslosigkeit.

Welche Lehren sich daraus ziehen lassen? Die Politik sollte sich aus Unternehmen tunlichst heraushalten. Und sollte sie dennoch einmal als Troubleshooter für in Schieflage geratene Unternehmen gefragt sein, dann sollte sie sich auf eine von Experten unterfütterte Strategie stützen. Im Idealfall sitzen die Experten selbst in der Regierung.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2014)

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