Energie: Hocheffizient ins Chaos

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Österreichs Suche nach einem Hüter der Energieeffizienz gerät zur Farce: Unter den Bewerbern herrscht Zwist und Hader. Jetzt droht eine Neuausschreibung.

Am 32. Dezember ist es zu spät. Dann ist Energiesparen in Österreich Pflicht, so will es zumindest das Gesetz. Doch die Realität sieht anders aus. Wenige Wochen bevor Österreichs Energieversorger dazu vergattert werden, ihren Kunden das Energiesparen beizubringen, wissen sie immer noch nicht, mit welchen Mitteln ihnen das erlaubt ist und wer ihre Bemühungen überwachen wird. Das Wirtschafts- und das Umweltministerium haben diese Aufgabe zwar eigentlich schon an die Österreichische Energieagentur (AEA) übergeben. Doch das Bundesverwaltungsgericht ortet Mängel in der Vergabe der Energieeffizienz-Monitoringstelle und hat das Verfahren mit einer einstweiligen Verfügung gestoppt. Die Bewertung der Angebote sei „unzutreffend“ und „nicht nachvollziehbar“, heißt es darin.

Aber damit nicht genug. Nun droht dem federführenden Wirtschaftsministerium eine komplette Neuausschreibung. Damit wäre der Zeitplan dahin und das Chaos rund um das Energieeffizienzgesetz perfekt. Unterdessen nimmt das Misstrauen zwischen den Bewerbern zu.

Werben oder regulieren?

Donnerstag vor einer Woche im Wirtschaftsministerium: Die Juristen des Ressorts haben Experten geladen, um technische Fragen der Anrechenbarkeit von Energieeffizienzmaßnahmen zu besprechen. Eile ist geboten, denn in der Branche rumort es seit Monaten. Die Energieversorger klagen lauthals darüber, dass sie so kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes immer noch im Dunkeln tappen und nicht wissen, wie sie ihre Kunden zu mehr Sparsamkeit „überreden“ dürfen. Alle Teilnehmer sind sich einig: Die notwendigen Richtlinien müssen so schnell wie möglich auf den Tisch. Nur ein Mann fällt in der Runde auf: Florian Tursky, Leiter des Wiener Büros des Innsbrucker PR-Beraters Hofherr. Sein Anliegen: Er will im Auftrag der Mineralölwirtschaft gleich „gute Ideen“ ins Rennen werfen. Warum etwa sollte es etwa für die Tankstellenbesitzer nicht genügen, ein paar Plakate zu bezahlen, um sich die lästigen Strafen zu ersparen?

Doch was er nicht verrät: Sein Arbeitgeber, Hofherr, ist auch im Rennen um die Monitoringstelle aktiv. Gemeinsam mit einem Salzburger Ingenieurbüro hat der PR-Berater ein Angebot gelegt, ist gescheitert – und letztlich vor das Verwaltungsgericht gezogen. Sich zeitgleich um den Regulatorposten zu bewerben und PR für betroffene Betriebe zu machen, sei „unvereinbar“, so ein Sitzungsteilnehmer zur „Presse“. Tursky, 26-jähriger Präsident des Österreichischen Cartellverbands, wurde hinauskomplimentiert. Die schiefe Optik blieb.

Im Gespräch mit der „Presse“ sieht Tursky keinen Interessenkonflikt. Im Gegenteil. Man fühle sich „benachteiligt“, weil die AEA nicht mit ihnen diskutieren wolle, welche Energieeffizienzmaßnahmen angerechnet würden und welche nicht. Man arbeite seit Jahren für die Mineralölwirtschaft und wäre auch als Monitoringstelle im Konsortium nur für die Kommunikation zuständig.

Finanzprokuratur für Neuvergabe

Doch solche Irrläufer sind nicht das größte Problem. Wie „Die Presse“ erfahren hat, könnte eine komplette Neuausschreibung ins Haus stehen. Die interne Finanzprokuratur, Anwalt und Berater der Republik, hat Anfang der Woche eine inoffizielle Empfehlung an den Wirtschaftsminister abgegeben, wie er auf das Verfahren und die Mängel, die beeinsprucht wurden, reagieren soll. Am 18. Dezember ist die nächste Verhandlung angesetzt. Der Rat der Finanzprokuratur: Das Wirtschaftsministerium soll das Verfahren am besten neu starten, um alle Zweifel an der Vergabe aus dem Weg zu räumen.

Denn unangreifbar ist auch der derzeit Erstgereihte nicht. Die Energieagentur (AEA) und deren Sub-Auftragnehmer, das Umweltbundesamt, stehen dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium sehr nahe und seien damit „programmierte Sieger“, sagen Kritiker. Der Umweltminister ist AEA-Präsident, der Wirtschaftsminister sein Vize, beide gemeinsam die größten Geldgeber und was noch schwerer wiegt: Auch Unternehmen, die vom Energieeffizienzgesetz betroffen wären, sitzen im Vorstand der AEA.

Das Wirtschaftsministerium ist nicht an die Empfehlung der Finanzprokuratur gebunden und wollte auf Anfrage der „Presse“ nicht konkret Stellung nehmen. Klar ist aber, sollte es zu einer Neuausschreibung kommen, wäre der Zeitplan für das Gesetz stark unter Druck. „Durch das laufende Verfahren kann es zu Verzögerungen im Vergabeprozess kommen“, räumte das Ressort ein, bemühte sich aber gleichzeitig um Beruhigung. Man tue erstens alles, um die Sache voranzutreiben und zweitens müssten die Energieversorger der Monitoringstelle ohnedies erst im Februar 2016 melden, welche Maßnahmen sie gewählt haben.

Mit dem „Spiel“ beginnen müssen die Energieversorger freilich schon 2015, selbst, wenn der Schiedsrichter dann noch lange nicht auf dem Feld ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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