Aus Sorge vor der steigenden Inflation steckt die Bevölkerung ihre Ersparnisse in Elektrogeräte, Möbel und Autos.
Der Rubel rutscht immer stärker ab und beschwört die Gefahr einer erneuten Staatspleite von Russland herauf. Alle Appelle der Politik sich in Geduld zu üben und die Nerven nicht zu verlieren fruchten nicht. Denn Teile der russischen Bevölkerung verfallen geradezu in einen Kaufrausch. Viele Russen zieht es derzeit in Elektronikmärkte, Möbelgeschäfte oder sogar Autohäuser, wo sie ihre Ersparnisse loswerden wollen, bevor die Preise weiter explodieren.
Die Haushalte leiden vor allem unter dem Wertverlust der Währung, die seit Jahresbeginn mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren hat - was an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für russische Verbraucher erheblich gestiegen, sodass die Zentralbank für das Jahresende eine Inflationsrate von rund zehn Prozent annimmt.
Erst kürzlich wurde berichtet, dass sich die Russen in diesen Tagen mit Autos der Luxusmarken Porsche und Lexus eindecken, um der Rubelentwertung zu entkommen.
Lange Schlangen bei Ikea
Doch Einkaufszentren erleben derzeit einen spektakulären Ansturm. Jüngstes Beispiel ist die schwedische Möbelkette Ikea, vor deren Kaufhäusern sich in den vergangenen Tagen lange Schlangen bildeten. Mehrere Stunden mussten die Kunden warten, bis sie eintreten konnten. Der Grund: Ikea hatte Anfang Dezember angekündigt, wegen der Talfahrt des Rubel in Kürze die Preise anheben zu wollen. Zwar beruhigte Ikea danach seine Kunden, dass die Preise weiter den im Sommer veröffentlichten Katalogpreisen entsprechen würden. Gleichzeitig aber erklärte der Konzern, der in Russland pro Jahr weit über eine Milliarde Euro an Umsatz erzielt, dass auch seine Geschäfte von äußeren Faktoren abhängig seien.
Keine Vorwarnung gab es hingegen von Apple. Der Konzern hob Ende November von heute auf morgen die Preise für seine iPhones, iPads und MacBooks um im Schnitt mehr als 20 Prozent an. Einige Fans der Marke hatten sich bereits die Geräte gesichert, die auf einmal billiger waren als in Europa.
Russlands Bevölkerung ist erfahren mit Wechselkurs- und Inflationsmechanismen. Sie hat in den vergangenen 25 Jahren schon mehrere schwere Währungskrisen durchgemacht und ihre Ersparnisse in Rauch aufgehen sehen. "In diesem Punkt unterscheidet sich Russland von Industrieländern, in denen die Menschen anfangen zu sparen, wenn eine Krise beginnt", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Igor Nikolajew. "Bei uns geht das mit einer starken Herabwürdigung des Geldes einher und die Leute geben mehr aus, was die Situation für eine gewisse Zeit entspannt", fügt der Analyst des Beratungsunternehmens FBK hinzu.
Investitionen in langlebige Güter
Auch die Handelskette MVideo für Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik hat Anfang Dezember mehr Kunden gezählt. Dies lag zum einen an den Weihnachtseinkäufen, die in Russland immer früher beginnen, zum anderen aber auch an der Talfahrt des Rubels. "Die Käufer wollen vom Wert ihrer Ersparnisse in Rubel profitieren und sie in Elektronik investieren", sagt Anton Pantelejew, Sprecher von MVideo. "Die Leute haben sich beeilt, teure Waren wie Fernseher, Computer, Laptops zu kaufen, um ihre Rubel zu retten, die dramatisch an Wert verlieren", bestätigt Maria Wakatowa von der Beratungsfirma Watcom, die den Handel beobachtet.
Russische Medien wie die beliebte Zeitung "Argumenty i Fakty" rieten ihren Lesern kürzlich, noch vor Jahresende elektronische Geräte, Autos, Kleidung und importierte Waren zu kaufen, genauso wie unverderbliche Lebensmittel, deren Preise vor den Feiertagen angehoben werden dürften. Auch der Automarkt freute sich im November über eine "außerordentliche" Nachfrage nach den großen ausländischen Marken, wie der Händlerverband AEB feststellte.
Nach Einschätzung des Ökonomen Igor Nikolajew wird die Kauflust "noch ein oder zwei Monate" anhalten - solange noch Rubel zum Ausgeben übrig seien. "Aber dann beginnt das Schwierigste", warnt er. Die russische Regierung rechnet für 2015 mit einer Rezession. Genauso die Weltbank, die vorhersagt, dass die Kauflaune der privaten Haushalte nächstes Jahr so niedrig sein wird wie zuletzt 2009.
(APA/AFP)