Ein rumänischer Hilfsarbeiter muss sich in Wien wegen einer Raubserie verantworten. Einige der Opfer wären fast gestorben.
Wien. Versuchte man am Dienstag in den Gesichtern der Geschworenen zu lesen, kamen einem Begriffe wie Entsetzen, Fassungslosigkeit oder Wut in den Sinn. Es ging um die Taten eines erst 21-Jährigen. Dieser saß auf der Anklagebank und blickte meist zu Boden. Als ein Mitglied des Richtersenats Fotos der Opfer zeigte, drehte der junge Mann seinen Kopf weg.
Was Marius C. vorgeworfen wird, ist fernab von dem, was Gerichtskiebitze „gewöhnt“ sind: Acht Frauen soll der Rumäne im Frühling in Wien-Favoriten überfallen haben. Fünf Opfer wurden mit einer Eisenstange so stark verletzt, dass die Anklage auf fünffachen versuchten Mord lautet.
Marius C. kam im März aus seiner Heimat nach Österreich, wo er sich am „Arbeiterstrich“ in der Triester Straße anbot. Und schließlich, wie er sagt, für zwei, drei Tage als Schwarzarbeiter auf dem Bau tätig war, dabei „ungefähr 210 Euro“ verdiente. Viel zu wenig, um in Wien über die Runden zu kommen. So begann er mit jener Art von Geldbeschaffung, die ihn schon in Rumänien hinter Gitter gebracht hatte: Er überfiel nachts Frauen. Auf offener Straße. Vom 23. März bis zum 19. April verübte er achtfachen Raub. Fünf Frauen, genau genommen vier Erwachsene und eine Jugendliche – diese war erst 13 Jahre alt –, wurden bei den Überfällen mit einer Eisenstange attackiert. Dabei ging C. ungeheuer brutal vor.
Eine 24 Jahre alte Frau dürfte ihr linkes Auge verlieren. Noch ist sie in Behandlung. Ein 45-jähriges Opfer erlitt schwerste Kopfverletzungen, an deren Folgen die Frau wohl ihr Leben lang leiden wird. Eine 25-jährige Mitarbeiterin des EU-Politikers Othmar Karas (ÖVP) lag nach dem Überfall zwei Wochen in künstlichem Tiefschlaf. Bei diesem Opfer behauptete C. – im Widerspruch zum Verletzungsbild –, er habe sein Opfer mit Fäusten und Fußtritten, nicht aber mit einer Eisenstange traktiert. „Er muss ja mit dem Kopf Fußball gespielt haben“, meinte der beisitzende Richter Norbert Gerstberger. Eine 40-jährige Frau erlitt unter anderem Brüche der Beine, weil der Täter noch auf sie einschlug, als sie wehrlos auf dem Boden lag.
Warum tut jemand so etwas? Dies wollte die Senatsvorsitzende Sonja Weis von C. wissen. Die Antwort fiel knapp und wenig erklärend aus. Ihm sei es darauf angekommen, Beute zu machen, gab der 21-Jährige an, der in dunkler Freizeitbekleidung und giftgrünen Plastikpantoffeln gekommen war.
Auch Einweisung beantragt
Tatsächlich war – und dies muss vorhersehbar gewesen sein – außer ein bisschen Bargeld und Mobiltelefonen nicht viel zu holen. Zugeschlagen habe er, um seine Opfer daran zu hindern, davonzulaufen oder zu schreien. Daraufhin sagte Richter Gerstberger: „Das heißt, Sie wollten die Frauen zum Schweigen bringen.“ Auch hier blieb C. eine Erklärung schuldig. Praktisch nicht nachvollziehbar war die Aussage des Angeklagten, er habe seine Opfer eigentlich nicht einmal verletzen wollen.
Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith hatte bei dem Mann, der in Rumänien ins Gymnasium gegangen war, die letzte Klasse aber nicht besuchen konnte, weil er ins Gefängnis musste, Gefühlsarmut sowie einen „zweckorientierten Selbstbezug“ festgestellt.
Staatsanwalt Wolfram Bauer machte die Geschworenen darauf aufmerksam, dass im Falle einer Freilassung des derzeit in U-Haft sitzenden Mannes mit weiteren Angriffen auf Frauen zu rechnen sei. Daher beantragte er zur Strafe auch eine Anstaltseinweisung. Am Freitag soll das Urteil verkündet werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2014)