„Kirche steht nicht in finsterer Anti-Kondom-Ecke“

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Benedikt XVI. betont die Rolle der Kirche im Kampf gegen Armut, Krankheit und Krieg. Seine umstrittene Aussage, Kondome seien keine Lösung für die Aidskrise, stößt teils auch auf Verständnis.

Yaoundé. Für Jérôme ist es einer der schönsten Tage seines Lebens: Er ist für die Sicherheit des Papstes verantwortlich, während dieser am gestrigen Mittwoch in der Kirche „Christ-Roi“ in Kameruns Hauptstadt Yaoundé die Bischöfe des Landes getroffen hat. „Ich habe mich sehr gefreut, als wir hörten, dass der Papst uns besuchen wird. Das ist eine große Ehre für unser Land!“ Um die Sicherheit Benedikts XVI. macht er sich keine Sorgen: „Wir lieben unseren Heiligen Vater!“ Der Eindruck hatte sich bereits am Vortag bei der 20 Kilometer langen Fahrt des päpstlichen Konvois vom Flughafen in die Hauptstadt bestätigt: Bunt gekleidete Massen säumten die Straße, tanzten, sangen und pfiffen ausgelassen, als das Papamobil vorbeifuhr.

Die Erwartungen in den Besuch sind sehr hoch. „Die Menschen hoffen, dass es ihr Leben positiv beeinflusst“, erklärt Pater Luc Emmerich von der Gemeinschaft des Heiligen Johannes, einem französischen Orden, der in Kamerun Schulen betreibt. Pater Luc lebt in Simbok, einem ärmlichen Viertel am Stadtrand. Wenige haben hier Arbeit, die meisten Mütter müssen ihre Kinder allein großziehen: Viele Väter haben ihr Glück anderswo gesucht, manche versuchten, nach Europa zu gelangen.

„Ein Christ kann niemals schweigen angesichts des Schmerzes, der Gewalt, der Armut und des Hungers“, hatte Benedikt bereits am Flughafen gesagt. Und noch im Flugzeug hatte er zur in ganz Afrika drängenden Aidsfrage Stellung genommen: Kondome seien da keine Lösung, meinte er.

Paris über Papst „beunruhigt“

Eine Aussage, die am Mittwoch weltweit für Wirbel sorgte: Aus dem UN-Kinderhilfswerk Unicef hieß es, Menschen müssten wissen, wie man sich vor Aids schützt. „Was der Papst sagt, ist ein Ideal für die katholische Kirche, aber er muss auf die Realität an der Basis schauen“, sagte Stanley Obale Okpu von Kameruns Ministerium für Stadtentwicklung. In Afrika seien Kondome zur Eindämmung von Aids und zur Geburtenkontrolle wichtig, betonten Hilfsorganisationen. Aus Frankreichs Außenministerium hieß es, man sei „stark beunruhigt“ über die Ansichten des Papstes – das bringe das Gebot des Schutzes des Lebens in Gefahr. Sogar der katholische Weihbischof von Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, wandte sich gegen seinen Landsmann: „Wer Aids hat und sexuell aktiv ist, muss sich und andere schützen. Die Kirche steht nicht in einer finsteren Anti-Kondom-Ecke, von der aus sie die Menschen einschüchtern will.“

Schwimmen ohne Gummistiefel

Pater Luc in Simbok hält die Worte des Papstes für weniger weltfremd: „Man muss in die Diskussion die afrikanische Mentalität einbeziehen und nicht mit einer kolonialen Haltung die scheinbar einfachste Lösung oktroyieren. Die Menschen hier brauchen eine klare Haltung. Entweder sie leben keusch oder sie haben Sex – mit oder ohne Kondom.“ Generell seien Präservative hier nicht sehr beliebt. Man gehe schließlich auch nicht mit Gummistiefeln schwimmen, sei ein gebräuchliches Sprichwort.

Natalie, eine Übersetzerin für die Regierung, sieht das ähnlich. Im Übrigen gehe es nicht nur um Aids: „In Kamerun gibt es viele Herausforderungen. Ich sehe, dass die Kirche sich bemüht, gerade den Armen zu helfen.“ Daran ließ Benedikt am Mittwoch keine Zweifel. Er sagte nicht nur, dass er komme, um seine „Schwestern und Brüder im Glauben zu stärken“, sondern dass die Kirche für das Wohl aller und die Friedfertigkeit unter den Stämmen Afrikas eintrete: „In einer Zeit weltweiter Nahrungsknappheit, der Finanzkrise und des Klimawandels leidet Afrika überproportional: Immer mehr seiner Einwohner werden zu Opfern des Hungers, der Armut, der Krankheit. Sie schreien nach Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden – und genau das ist es, was die Kirche ihnen bietet.“ Zudem warnte er vor dem schlechten Einfluss vieler lokaler Sekten und esoterischer Bewegungen. Eine Warnung, die Natalie teilt: „Wenn man in Kamerun reich werden will, gründet man eine Kirche.“


Andreas Thonhauser ist leitender Redakteur von „alle welt“, dem Magazin von „Missio Österreich“. Einen Live-Blog aus Kamerun gibt es unter www.missio.at.

PAPST IN AFRIKA

Benedikt XVI. besucht erstmals Afrika. Er reiste Dienstag nach Kamerun, einer früheren deutschen Kolonie; das Land ist politisch recht stabil und einigermaßen entwickelt. Am Wochenende geht's weiter nach Angola, das bis 1975 zu Portugal gehörte und bis 2002 in einen Bürgerkrieg verstrickt war. Seit einigen Jahren gibt es aber dank Öl und Edelsteinen einen massiven Wirtschaftsboom.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2009)

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