Frankreich: Kultur-Arche-Noah für Lyon

(c) APA/EPA/QUENTIN LAFONT / MUSEE D (QUENTIN LAFONT / MUSEE DES CONFL)
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„Billiger als Kampfflugzeuge!“ Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au verteidigt das teure Musée des Confluences in Lyon. Der Bau soll einen Stadtteil im Umbruch veredeln.

Am Zusammenfluss der Rhone und der Saône in Lyon ist nach zehn Jahren Bauzeit das neue Musée des Confluences eröffnet worden. Die Kreation von Coop Himmelb(l)au aus Wien ist der neue Blickfang in der drittgrößten Stadt Frankreichs, die sich einen „Bilbao-Effekt“ erhofft. Frank Gehrys 1997 vollendetes Guggenheim-Museum in Bilbao ist nicht nur als Gebäude spektakulär, sondern verschaffte der Industriestadt im früher unruhigen Baskenland viel Aufmerksamkeit. Anders als in Bilbao wurden die Baukosten in Lyon kräftig überschritten: An die 300 Millionen Euro verschlang das Musée des Confluences, viermal so viel wie ursprünglich vorgesehen.

„Das Museum kostete um ein Drittel weniger als ein Kampfflugzeug“, argumentiert Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au. „In fünf Jahren wird niemand mehr von den Baukosten reden, alle werden sagen, dass das Museum die große Attraktion von Lyon ist.“ Prix macht die „Werksplanung“ für die Kostenüberschreitung verantwortlich, auch sei für den Bauplatz keine Bodenuntersuchung gemacht worden, 500 Pfähle, die in 30 Meter Tiefe reichen, mussten zur „Grundverfestigung“ eingeschlagen werden, so Prix.

„Eine Arche der Menschheit“ nannte das Magazin „L'Express“ die Mischung aus Technologie-, Natur- und Völkerkundemuseum, geleitet von Hélène Lafont-Couturier, die vor der Eröffnung am 19. Dezember Delegationen durch das Haus führte – das noch immer wie eine rechte Baustelle aussieht. Ausgestopfte Tiere gucken aus ihrer Plastikverpackung, in einer Ecke stehen Kisten, ein enormes Dinosaurierskelett wird gerade an der Decke befestigt, in einem anderen Saal hängt ein Sputnik. Rund zwei Millionen Objekte beherbergt dieses „Kuriositätenkabinett“, sie stammen aus mehreren Sammlungen. Künftig sollen aus dem breiten Reservoir Ursprünge des Universums, des Lebens, der Menschheit, der Zivilisationen veranschaulicht werden.

Kunst fördert Immobilienentwicklung

Bisher spricht man in Lyon neben den Kosten vor allem über das dekonstruktivistische Bauwerk selbst. Die Ansichten der Einwohner zu dem Glas- und Metallpalast gehen weit auseinander. Im traditionell bürgerlich-behäbigen Stadtbild wirkt das Gebäude wie ein Anachronismus, jedenfalls sehr ungewöhnlich. Touristen kennen von Lyon bisher eher die Altstadt mit ihren Renaissancebauten oder das ehemalige Seidenweberquartier auf dem Hügel der Croix-Rousse.

Das Quartier Confluences auf der unteren Hälfte der Halbinsel wird jedoch durch das neue Museum mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das Viertel ist stark im Umbruch. Das Gelände war ursprünglich Schwemmland, später wurden dort Lagerhallen gebaut. In der „Sucrérie“ (Zuckerfabrik) in den renovierten Docks des Rhone-Hafens finden heute Ausstellungen statt, etwa die Lyoner Biennale für Gegenwartskunst. Neben brachliegenden Grundstücken fällt der Blick auf einen orangefarbenen und einen grellgrünen Quader. Im grünen hat der Sender Euronews seinen Sitz. In einem vergleichsweise fast konventionell aussehenden Neubau nahebei befinden sich die Redaktionen der Lokalzeitung „Le Progrès“.

Der jetzige Kern des „Quartier“ ist ein großes Einkaufszentrum. Hier können die Bürger von Lyon auch am Wochenende einkaufen, rundum werden Wohnungen errichtet. In den ehemaligen Gefängnissen Saint-Paul und Saint-Joseph befinden sich Studentenwohnheime. Das Viertel mit seinem Straßenstrich hat insgesamt keinen besonders guten Ruf, die sogenannte Gentrifizierung ist nicht gerade einfach. Das Museum kommt da gerade recht. Damit die Pläne der Stadtplaner (und der Immobilienentwickler) aufgehen, ist mehr nötig als ein Konsumtempel mit einem Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel. Beispiele aus anderen Städten (London) zeigen aber, dass die Aufwertung letztlich funktioniert – wegen der Zentrumsnähe.

Inzwischen stehen Öffentlichkeit und Bürgerinitiativen noch unter dem Eindruck der Kontroversen um den Bau und die Kosten. Pierre Desroches, der Vorsitzende des Vereins „Aktive Steuerbürger von Lyon“ verwies auf ähnliche Fälle von Kostenüberschreitung in Marseille und warnte, der Stadt drohe eine „nachhaltige ökonomische Katastrophe“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2014)

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