Zur Stabilisierung müssen die Firmen ihre Exporterlöse in Rubel tauschen. Die Bevölkerung verharrt indes in Panik.
Wien. Im verzweifelten Kampf gegen die dramatische Abwertung des Rubel will sich die russische Regierung nun offenbar die ausländischen Devisenreserven von Staatskonzernen sichern. Wie die Zeitung „Kommersant“ am Dienstag unter Berufung auf Insider berichtete, habe Premier Dmitrij Medwedjew dies per Dekret angeordnet. Konkret betroffen seien der Gaskonzern Gazprom und der landesweit größte Ölkonzern Rosneft, außerdem Diamantenproduzenten. Privatfirmen würden nicht verpflichtet, aber von einer Arbeitsgruppe „kontrolliert“, in der auch die Geheimdienstabteilung K für wirtschaftliche Sicherheit eingebunden sei.
40–50 Milliarden Dollar bis Anfang März
Der Umtausch der Exporterlöse macht ganze 20 bis 25 Prozent des täglichen Devisenumsatzes an der Börse aus und ist daher für die Stabilität des Rubel bedeutsam. Laut „Kommersant“ sollte es nun konkret darum gehen, dass die Unternehmen jene Devisen, die sich aus den Exporterlösen seit 1.Oktober angehäuft haben, bis Anfang März verkaufen und so das Devisenangebot erhöhen. Die Rede ist von insgesamt 40 bis 50 Milliarden Dollar (32,7–40,8 Mrd. Euro), was der Hälfte jener Summe entspricht, die die Zentralbank seit Monaten zur Stützung des Rubel in den Markt gepumpt hat. Mitte Dezember haben die Währungshüter außerdem in einer beispiellosen Aktion zur Rubel-Stärkung den Leitzins von 10,5 auf 17 Prozent angehoben.
Am Dienstag jedenfalls zog der Rubel weiter an, nachdem er über Monate nur die Richtung nach unten gekannt hatte und Mitte Dezember binnen weniger Tage mehr als 20 Prozent verloren hatte. Der fallende Ölpreis hatte ihm massiv zugesetzt. Da auf dem Land außerdem Sanktionen lasten, bildet der Rubel gemeinsam mit der ukrainischen Währung Hrywnja das Schlusslicht unter den Schwellenländerwährungen. Mit dazu trägt die Kapitalflucht bei, die nach neuesten Schätzungen der Zentralbank heuer ganze 134 Mrd. Dollar erreichen wird. 50 Prozent davon seien von Währungsumwechslungen der – verunsicherten – Bevölkerung verursacht, sagte Kreml-Chef Wladimir Putin vorige Woche.
Ganzes Land aus dem Tritt
Russland ist aus dem Tritt. Von der Möglichkeit einer tiefen Rezession sprach gestern Medwedjew. Der angesehene Ex-Finanzminister Alexej Kudrin erklärte, dass Russland 2015 in eine volle Krise schlittere und die Wirtschaft auch dann schrumpfe, wenn der Ölpreis auf 80 Dollar je Barrel – also um 30Prozent zum jetzigen Wert – steige.
Dass der Rubel diese Woche anzog, hatte teils mit einem leichten Ölpreisanstieg und teils mit dem Fakt zu tun, dass die Woche der Steuerabführung begann und daher die Nachfrage nach Rubel groß war. An der Verunsicherung im Volk ändert dies nichts. Vor allem seit Mitte Dezember ist es zu großflächigen Abhebungen bei den Banken gekommen. Bis zu 600 Milliarden Rubel (neun Milliarden Euro) dürften in den vergangenen Tagen abgezogen worden sein, schätzen die Analysten der Raiffeisenbank. Die Bank Trust, Nummer 28 im Land, hatte dem Ansturm nicht standgehalten und musste von der Zentralbank aufgefangen werden.
Banker hatten zuletzt wiederholt Befürchtungen geäußert, die Panik könne einen Dominoeffekt auslösen. Er habe noch nie eine derartige Menge an panischen Gerüchten unter dem wirtschaftlich gebildeten Bevölkerungsanteil gesehen, erklärte gestern der Chef der viertgrößten Bank, VTB 24, Michail Zadornov, in einem Interview: Es beruhige ihn nur das Faktum, dass eine Panik wie diese gewöhnlich nicht lang dauere.
Am 19.Dezember hat das russische Parlament beschlossen, eine Billion Rubel aus Budgetmitteln für die Kapitalaufstockung der Banken zur Verfügung zu stellen. (est)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2014)