Der Meister des täglichen Exzesses

(c) Mooserwirt
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Der Mooserwirt in St. Anton ist durch DJ Schmiderer zum Inbegriff der Après-Ski-Party geworden. Mit der größten Party der Alpen.

Der Zeremonienmeister des täglichen Exzesses ist bereit. Punkt 15.30 Uhr beim Mooserwirt in St. Anton am Arlberg: Per Knopfdruck schließt Gerhard Schmiderer die Jalousien und verwandelt die sonnendurchflutete Gaststube in einen dunklen Partytempel. Noch ein Knopfdruck – und die gewaltige Scheinwerferanlage geht einem UFO gleich über der Tanzfläche in Position. Er schiebt den Regler des Mischpults bis zum Anschlag, „The Final Countdown“ dröhnt aus den Lautsprechern. „Herzlich willkommen beim Après-Ski im Mooserwirt“, brüllt Schmiderer ins Mikrofon.

Beim Mooserwirt steigt jeden Tag die größte und bekannteste Après-Ski-Party der Alpen. Zeremonienmeister des täglichen Exzesses ist DJ Schmiderer, Kultfigur der Szene. „Ich bin kein DJ und wollte auch nie ein DJ werden“, sagt er. Gekommen ist alles anders. Ganz anders.

So wie heute macht er es seit 18Jahren. Jeden Winter. 150 Tage pro Saison. „Geri“ Schmiderer ist DJ im Mooserwirt. Wer ihn nicht kennt, hat keine Ahnung von Après-Ski. Keiner versetzt Massen skibeschuhter Touristen derart in Ekstase.


Berufsjugendlicher? Die trendige Schirmkappe bedeckt das ergraute Haupt, das fetzige Skater-T-Shirt den Bauchansatz: In seinem Arbeitsoutfit wirkt DJ Gerhard wie ein zu alter Berufsjugendlicher. Doch der erste Eindruck täuscht: Der 58-jährige Landecker ist ein echter Trendsetter – zumindest in Sachen Partys. Was DJGerhard auflegt, wird ein Hit, was er ignoriert, ein Flop. Jeden Dezember zeichnet RTLII die Après-Ski-Show beim Mooserwirt auf und setzt damit die Musiktrends für die kommende Hüttensaison. Immer mit dabei: DJ Gerhard. Hinter dem DJ-Pult ist er in seinem Element. Sobald er loslegt, füllt sich die Tanzfläche, kreischend begrüßen die Fans ihren Guru. Der winkt kurz zurück, dreht sich um und reißt die Balkontür auf: Draußen, im weitläufigen Außenbereich zwischen Hütte und Schirmbar, hüpft, springt und tanzt ebenfalls eine Menschenmenge, die lautstark nach Geri verlangt. Habemus DJ – die Party kann beginnen.

Mehr als 1000 Gäste. Après-Ski ist heute unverzichtbarer Bestandteil jedes Winterurlaubes. Der Mooserwirt ist international das Synonym für die höchste Vollendung des kollektiven Exzesses. An Spitzentagen feiern weit mehr als 1000 Gäste im Après-Ski-Tempel am Arlberg. Der Party-Wahnsinn hat System, wie Geschäftsführer Werner Flunger alias FluWe erklärt: „Die Gäste feiern nachmittags und gehen dann früh ins Hotel. Dort essen sie, machen ein bisserl Wellness und stehen am nächsten Morgen wieder ausgeruht am Lift.“ Genau das bietet der Mooserwirt täglich ab halb vier. 270 Minuten Partywahnsinn. Um punkt acht Uhr abends ist die Sause wieder vorbei.

In dieser kurzen Zeit erwirtschaftet das 55-köpfige Team 90 Prozent des Gesamtumsatzes. Mit ein Grund dafür sind die stolzen Preise. Nach dem hauseigenen Motto „Saugut und schweineteuer“ kostet ein halber Liter Bier 5,30 Euro, ein Wiener Schnitzel schlägt mit 15,90 Euro zu Buche und um 95 Euro gibt es für Feinspitze das Straußenei „royal“. Die Preispolitik begründet Geschäftsführer FluWe mit der gebotenen Qualität, aber auch mit der Geschäftsstrategie: „Wir wollen kein Ballermann sein.“ Billigtouristen sind nicht das Zielpublikum. Man setzt auf zahlungskräftige Kunden: „Die benehmen sich besser – auch betrunken.“ Tatsächlich kommt der Mooserwirt trotz Massenandrangs ohne Sicherheitspersonal aus. In brenzligen Situationen sorgt Barfrau Margot für Ordnung. Die zierliche Endvierzigerin steht seit 13 Jahren hinter der Theke und weiß: „Wenn ich aufdreh, sind die Mannsbilder baff und geben Ruh.“

Während die Sonne hinterm Arlberg versinkt, steigen beim Mooserwirt Stimmung und Alkoholpegel. Für Ersteres zeichnet DJ Gerhard mit seinen Fetenhits verantwortlich, für Zweiteres die Kellner. Zirkusreif balancieren sie Tablettpyramiden mit mehr als 50 Biergläsern und Schnäpsen durch die Massen. Unter all dem Partytreiben hetzt Harald durch die engen Gänge. Er ist für den Nachschub an den über 800 Zapfhähnen im Lokal verantwortlich. Denn vom Bier bis zum Jagatee fließt alles über ein ausgeklügeltes, rund 32km langes Rohrleitungssystem aus dem Keller an die Bars. „Alle fünf Minuten wechsle ich ein Bierfass“, keucht Harald.

Draußen steht inzwischen alles auf den Bänken und grölt zu Robbie Williams' „Let Me Entertain You“. Drinnen tanzt zwangsläufig jeder, da einen die Masse unweigerlich mitschaukelt. So wie Chantal, Betty und Susann aus Amsterdam, allesamt Mitte zwanzig und im Minutentakt Ziel plumper Anmachsprüche. Sie haben zu Hause von DJGerhard und dem Mooserwirt gehört. „Wir sind nur wegen dem Après-Ski hier. Es ist großartig!“ Vor der Hütte tanzen 15 Hamburger auf den Bänken. „Ich war in Ischgl und Sölden. Aber nichts ist besser als der Mooserwirt“, brüllt Phillip. Er hat seine Tagesabschlusspartnerin für heute bereits gefunden: Die junge Blondine in seiner Rechten, das kühle Blonde in der Linken, jubelt er im Schein des Mondlichts in Richtung DJ Gerhard, der eben wieder seinen Balkon betritt, um die Fans auf das nahende Ende der Party einzustimmen.


Torkelnd durch die Nacht. Nun beginnt die große Herausforderung für die gut abgefüllte Meute: Torkelnd ziehen sie auf der Suche nach ihren Skiern durch die Nacht. Es gilt, die letzten hundert Meter über die stockdunkle Piste abzufahren. „Wir haben es schon mit Pistenbeleuchtung versucht“, erklärt FluWe, „aber im Finstern fahren sie vorsichtiger.“ In der Hütte klappt DJGerhard seinen Laptop zu und verstaut die CDs. Für heute hat er Feierabend. Morgen kommt er wieder. Als DJ aus Leidenschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2009)

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