Islamische Welt: Das gefährliche Leben arabischer Satiriker

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Nach dem Arabischen Frühling erlebt die Satire eine Hochblüte. Und auch heute nehmen Humoristen im irakischen Fernsehen direkt an der Front die Jihadisten des Islamischen Staats aufs Korn.

Kairo. Von der Azhar-Universität, einer der höchsten Autoritäten des sunnitischen Islam, bis hin zu arabischen Journalistenverbänden wird der Anschlag in Paris verurteilt. „Der Westen trinkt jetzt aus dem gleichen Glas wie die Ägypter“, sagt der Kommentator Tamer Amin im ägyptischen Staatsfernsehen. Dort fühlt man sich bestätigt. Der ägyptischen Regierung werde von Europa vorgeworfen, mit diktatorischen Mitteln den Terror zu bekämpfen, jetzt bekomme Europa selbst den Terror zu spüren.

Aber gerade in der arabischen Welt relativiert man die Meinungsfreiheit, wenn es um Religion geht. „Leider sehen manche westliche Medien die Meinungsfreiheit als eine Art Religion“, lamentiert Amin und geht dann sogar noch einen Schritt weiter: „Sie verdienen, was geschehen ist. Ich sage immer, es kann keine unbegrenzte Meinungsfreiheit geben. Alles auf der Welt geht mit Verantwortung und roten Linien einher.“

Im populären regimenahen ägyptischen Fernsehsender On-TV setzt man Attentäter und die Journalisten des Satiremagazins, die die Religion angegriffen haben, sogar gleich. „Radikale haben Radikale getötet“, kommentiert dort Yussuf El-Husseini. Es gebe keinen Unterschied zwischen beiden. Wenngleich er auch betont, dass Blutvergießen keine Lösung sei.

Menschen, die für ihre Meinung und ihr Schaffen von militanten Islamisten angegriffen werden, gibt es nicht nur im Westen. Die meisten Opfer stammen selbst aus der islamischen Welt. Der Prominenteste ist wohl der inzwischen verstorbene Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfuz. Die literarische Abbildung von Propheten in seinem Buch „Die Kinder unserer Gasse“ war 1994 für einen militanten Angreifer genug, Mahfuz ein Messer in den Hals zu rammen und schwer zu verletzen. Zwei Jahre zuvor war der ägyptische Publizist Farag Foda von Mitgliedern der Gamaa Islamiya erschossen worden. Er war bekannt für seine scharfen Artikel gegen Radikale.

In den vergangenen vier Jahren erlebte die Satire in der arabischen Welt eine Hochblüte. Wenngleich der König der arabischen Satire, der Ägypter Bassem Yussuf, von seinem saudischen Sender MBC abgesetzt wurde, nachdem Ägyptens Militärregierung gegen das Programm interveniert hatte.

Aber Satiren gegen die militanten Islamisten haben weiterhin Konjunktur. Heute geht es vor allem gegen die Jihadisten des Islamischen Staats. Bekannt ist die irakische Serie „Staat der Mythen“. In einer Szene kommen die selbst ernannten Wächter des Islam zu einem Gemüsehändler und fordern von ihm, männliches und weibliches Gemüse mit unterschiedlichen grammatikalischen arabischen Endungen strikt zu trennen.

Es ist Satire, direkt an der Front: Die 30 Folgen des TV-Senders Al-Irakya können auch im Territorium des Islamischen Staats empfangen werden. Alle Schauspieler wissen, dass sie ihr Leben riskieren. Manche Drehbuchschreiber bleiben lieber anonym.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2015)

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