Griechenland: Neues Glück mit alter Währung?

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Die Neuwahlen in Griechenland bringen die Diskussion über einen Euro-Austritt des Landes zurück. Dieser brächte zwar die Hoheit über die Währung, wäre aber schwer umzusetzen.

Da ist er wieder: der Grexit. Rund zwei Jahre, nachdem die Diskussion über den Austritt Griechenlands aus der Eurozone durch Schuldenschnitt und Rettungsprogramm der anderen Euroländer beendet wurde, brandete sie Anfang der Woche wieder auf. Grund dafür sind die Neuwahlen, die laut griechischer Verfassung nach der gescheiterten Wahl eines Staatspräsidenten nun notwendig werden. Am 25.Jänner werden die Griechen zu den Urnen schreiten, um ein neues Parlament und somit eine neue Regierung zu wählen. Wenn es nach Politikern und Ökonomen, vor allem aus Deutschland, geht, werden sie dabei auch über die Zukunft ihres Landes in der Gemeinschaftswährung abstimmen.

Die Angst geht nämlich um in Nordeuropa. Die Angst, dass Alexis Tsipras von der linkspopulistischen Partei Syriza die Wahlen gewinnt und künftig den Regierungschef in Athen stellt. Und Tsipras hat eines in der Vergangenheit mehrmals klargestellt: Er ist für ein Ende des von der Troika aus EU, EZB und IWF verordneten Sparkurses. Diese Sparmaßnahmen waren es jedoch, die als Bedingung für die bisherigen und künftigen Hilfsgelder gesetzt wurden. Kündigt Griechenland sie auf, würde kein weiteres Geld mehr fließen, heißt es laut Medienberichten nun in Berlin. Offiziell werden entsprechende Szenarien zurückgewiesen, da man sich nicht an „Spekulationen“ beteilige. Die mögliche Folge dieser Szenarien wäre nämlich ein Staatsbankrott und der Ausstieg aus der Eurozone.


Streit der Ökonomen. Parallel zu dieser politischen Diskussion gibt es aber auch unter Ökonomen eine handfeste Auseinandersetzung. Und zwar um die Frage, ob ein Austritt aus der Eurozone nicht sogar besser wäre – nicht nur für die anderen Euroländer, sondern auch für Griechenland selbst, das damit wieder die Hoheit über den Wechselkurs seiner Währung erhalten würde.

Hauptvertreter dieser Linie ist der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Er empfahl zuletzt diese Woche einen Austritt Griechenlands aus dem Euro, da das Land nur „durch Abwertung seiner Währung seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen“ könne. Argumentativ stützt sich Sinn dabei auf eine Studie seines Instituts aus dem Jahr 2012, in der anhand von vergangenen Währungskrisen die möglichen Folgen eines Grexit berechnet wurden („Austritt Griechenlands aus der Europäischen Währungsunion: Historische Erfahrungen, makroökonomische Konsequenzen und organisatorische Umsetzung“).

In dieser Studie werden die rechtlichen Probleme – so ist bei einem Euro-Austritt laut derzeitigem Recht auch ein EU-Austritt notwendig – bewusst zur Seite geschoben und nur die ökonomischen Effekte betrachtet. Als Vorbild dient dafür vor allem die Situation von Argentinien im Jahr 2002. Das Land hatte zwar auch zuvor seine eigene Währung – den Peso. Dieser war jedoch seit 1991 in einem fixen Verhältnis an den US-Dollar geknüpft, weshalb „sich das lateinamerikanische Land ähnlich wie Griechenland seit seinem Eurobeitritt entwickelte“.

Wie in Griechenland boomte zuerst einmal die Wirtschaft, und das Land wertete gegenüber seinen Konkurrenten stark auf. Die Folge waren sinkende Wettbewerbsfähigkeit und enorme Leistungsbilanzdefizite. Wie Griechenland versuchte Argentinien, dieses Problem durch „interne Abwertung“ – also sinkende Preise und Löhne – zu lösen. „Diese Abwertung reichte jedoch nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu erhöhen.“ Zum Jahreswechsel 2001/2002 kam es zum Staatsbankrott, weshalb die Regierung den Wechselkurs freigab. Der Peso stürzte um 70 Prozent ab. In der Folge gab es zwar eine kurze Rezession, die fünf Prozent des BIPs kostete. Nach nur einem Jahr befand sich Argentinien aber wieder auf dem Weg der Genesung, dem ein neuerlicher Boom folgte (dass in diesem erneut wirtschaftspolitische Fehler gemacht wurden, steht auf einem anderen Blatt).

Da Griechenland von 2001 bis Ende 2009 gegenüber den wichtigsten Handelspartnern – berechnet auf Basis der Lohnstückkosten – um 28 Prozent aufgewertet hat und die griechische Wirtschaft, anders als etwa jene Irlands, zu unflexibel für eine rigorose interne Abwertung ist, sei ein Euro-Ausstieg samt Abwertung der neuen, alten Drachme daher der beste Schritt, um Griechenland wieder auf die Beine zu bringen, schreibt das Ifo.

Dem widerspricht Guntram Wolff, Chef des Brüsseler Bruegel-Instituts. Er veröffentlichte diese Woche eine Analyse, laut der Griechenland von einer Währungsabwertung nicht profitieren würde. Als Beweis dafür zieht er die griechische Leistungsbilanz heran, die von einem Minus von 15 Prozent im Jahr 2008 zuletzt auf ein leichtes Plus verbessert wurde. Der Großteil dieser Verbesserung sei jedoch nicht über ein Mehr an Exporten, sondern über ein weniger an Importen erfolgt, so Wolff. Das zeige, dass die Struktur der griechischen Wirtschaft einfach nicht für eine Exportwirtschaft tauge – auch wenn die Preise sinken würden. Eine Währungsabwertung hätte daher nur geringe positive Effekte.

Dies dürfte beim Ifo in München jedoch nur wenige überrascht haben. Stellten die Deutschen doch schon in ihrer Studie von 2012 fest, dass die Wettbewerbsverbesserung sich vor allem bei der Substitution von Importen niederschlagen werde. Bis dahin hatte Griechenland nämlich nicht nur bei Maschinen, sondern auch bei vielen Nahrungsmitteln wie Getreide und Milch oder einfachen Metallwaren einen Importüberschuss. „Lediglich bei Fischen, Früchten, Fetten und Ölen und bei Tabak wird mehr im Ausland abgesetzt als dort gekauft“, so die Studie. Zudem könnte es positive Effekte im Tourismus geben, bei dem Griechenland 2010 noch um 44 Prozent teurer war als der Nachbar Türkei. Seither sind die griechischen Löhne zwar um 18 Prozent gesunken, der Unterschied ist aber immer noch deutlich merkbar.


Schwierige Umsetzung. Ein Euro-Austritt hätte aber natürlich auch Nachteile. Der wichtigste: Die in Euro notierten und nach internationalem Recht begebenen Schulden würden in voller Höhe bestehen bleiben, was die Verschuldung mit einem Schlag nach oben treiben würde. Ein neuerlicher Schuldenschnitt wäre unumgänglich. Dieses Problem gibt es laut Ifo aber auch bei der internen Abwertung durch Preis- und Lohnsenkungen. Denn auch hier wird die Rückzahlungskapazität der Schuldner reduziert – relativ gesehen steigt die Schuld also an.

Das gravierendste Problem wäre jedoch die Umsetzung eines Euro-Austritts. Bei diesem müsse es eine „unbedingte Geheimhaltung in der Vorbereitungsphase geben“, um einen Bank Run zu verhindern. Und auch danach sei dieser – und das dazugehörige Chaos – nicht auszuschließen. So war es auch einst in Argentinien. Samt Straßenschlachten mit „20 Toten und Jahren der politischen Instabilität“.

28

Prozent wertete Griechenland gegenüber seinen wichtigsten Handelspartnern von 2001 bis Ende 2009 auf – berechnet auf Basis der Lohnstückkosten.

44

Prozent war das Land 2010 im Tourismus gegenüber der Türkei teurer.

18

Prozent sind die Löhne heute geringer als 2007. Das ist eine gewaltige Anstrengung. Die Frage bleibt, ob es reicht.

Argentinien hatte zwar den Peso, dieser war aber fix an den US-Dollar geknüpft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2015)

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