Stadtsaal: Selbstfindung im Sessellift

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Was macht ein Mann eine Nacht lang allein in zwanzig Metern Höhe? In „Après-Ski – Ruhe da oben!“ spielt Thomas Mraz einen zynischen Durchschnittstypen, der lernen muss, es mit sich selbst auszuhalten.

Der erste Lacher in dieser Komödie gilt dem stillen Ko-Star der Show, und er ertönt, sobald der Vorhang sich öffnet: Von der Bühne des Wiener Stadtsaals schwingt da nämlich ein stolzer Vierersessellift. Der zweite Lacher gilt Thomas Mraz, er sitzt in dem Sessellift, in voller Skimontur, und in so einer Aufmachung sieht natürlich jeder lustig aus.

Mraz, bekannt aus Filmen wie in „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ oder als Sidekick von Michael Niavarani in dessen Nummer „Encyclopädia Niavaranica“, spielt den Durchschnittstypen Georg Karner, der nach Liftschluss in zwanzig Metern Höhe vergessen wird. Beim Versuch, Rettung zu rufen, schmeißt er aus Ungeschick zuallererst sein Handy hinunter. Jetzt ist er also auf sich allein gestellt. Was macht ein Mann mit so viel Zeit?

Auf anfängliche Hysterie folgt eine Erörterung von Rettungsstrategien (soll man einen Geldschein anzünden, um Lichtsignale zu senden?), dann wird mit der Welt abgerechnet, die Karner in diese missliche Lage gebracht hat. Der Reiz dieses Monologs entwickelt sich erst langsam. Zuerst dominieren nämlich die naheliegenden Witze, die zwar aus dem Leben gegriffen, aber nicht sehr einfallsreich sind: Ein kleiner Hypo-Scherz hier, eine Anspielung auf Raucherzonen im Sessellift da, etwas Geplänkel über Ehe, Kinder, Job. Hoffnungslos selbstmitleidig, schön zynisch, aber belanglos. Karner ist eben ein richtig mittelmäßiger Charakter, der nicht weiß, was er mit sich selbst anfangen soll.

Bissige One-Man-Show

Für „Après-Ski – Ruhe da oben!“ haben Szenegrößen zusammengearbeitet: Niavarani und Georg Hoanzl produzierten das Stück, Regie führte Bernhard Murg, langjähriges Kabarett-Simpl-Ensemblemitglied und derzeit in Niavaranis „Die unglaubliche Tragödie von Richard III.“ zu sehen, den Text schrieb der Kabarettist Klaus Eckel. Er hat das Psychogramm eines faden Typen geschaffen. Langweilig ist das Programm aber trotzdem nicht, dafür sorgt vor allem, dass Mraz hervorragend über sich selbst lachen kann. „Bist du deppat, bin ich durchschnittlich. Gott sei Dank hab ich keinen Bausparvertrag, das ist mein letztes Stück Revolution“, sagt der von Minderwertigkeitskomplexen und den hohen Erwartungen seines Umfelds Geplagte. Und mit dieser Erkenntnis gelingt der Clou, die eigene Mittelmäßigkeit wird zum Thema und die unfreiwillige Auszeit von der Welt zu einem herzlich komischen, fast rauschhaften Selbstfindungstrip.

Jetzt rollen die Witze. Mraz gibt Lebensweisheiten zum Besten, die wohl so manchem im Publikum aus der Seele sprechen („Die meisten Kinder ernähren sich vom Schlaf ihrer Eltern“), bringt mit Gesangseinlagen und Luftgitarrespiel den Lift zum Wackeln. Die schwungvolle, bissige One-Man-Show lässt aber auch Raum für Tiefsinniges: Ein Mann lernt, allein sein zu können, ohne ständig seine E-Mails zu checken. Er erkennt, dass so eine nächtliche Pause ein Geschenk sein kann, und dass man keine Fun-Carver braucht, um Spaß zu haben. Am Ende gibt es für ihn Standing Ovations. Und so mancher im Publikum wünscht sich wohl auch, einmal eine Nacht lang einsam in einem Sessellift baumeln zu dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2015)

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