Wahlkampf mit harten Bandagen

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Parlamentswahl am 25.Jänner. Ministerpräsident Antonis Samaras spielt den rechten Rand an. Die Linksopposition versucht, in die Mitte zu rudern. Die Sozialdemokraten kämpfen um ihr Überleben.

Verkehrte Welt im griechischen Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 25.Jänner 2015: Während das Radikale Linksbündnis (Syriza) von Alexis Tsipras einen Schwenk Richtung Mitte unternimmt und in seinen Wahlspots gezielt Bauern, Pensionisten und Wohnungseigentümer anspricht, führt der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras von der Nea Dimokratia (ND) einen Wahlkampf, der auf das rechte Stammpublikum abgestimmt ist.

Die Kampagne von Syriza stützt sich auf Begriffe wie Würde, Gerechtigkeit und Demokratie, Kernwort ist „Hoffnung“. Worte wie „links“ oder „Schuldenschnitt“ hingegen wurden aus dem Vokabular gestrichen. Mit ihren positiven, epischen Wahlspots will die Partei offensichtlich gemäßigten Wählern die Angst vor ihr nehmen. Parteichef Alexis Tsipras tritt in ihnen überhaupt nicht auf, Hauptdarsteller ist das leidgeprüfte „Volk“. Dafür fischte er beim Wasserweihfest am 6. Jänner sogar in den Gewässern der orthodoxen Kirche, als er eine weiße Taube gen Himmel steigen ließ.

Im Stil eines Oberlehrers. Bei den Konservativen ist alles auf Antonis Samaras zugeschnitten, der weit beliebter als seine Partei ist. Im Stil eines Oberlehrers erklärt er in den Spots Fußball spielenden Kindern und besorgten Familienvätern, dass Opfer gebracht werden müssen, um den künftigen Wohlstand zu sichern, dass nicht alles, was erreicht wurde, aufs Spiel gesetzt werden dürfte. Der Wahlslogan der ND lautet:„Nea Dimokratia – die verantwortungsvolle Kraft“.

In seinen ersten Wahlkampfauftritten in der griechischen Provinz wurde sein Stil selbst von konservativen Kommentatoren als „reaktionär“ eingestuft. Er betonte den Kampf gegen illegale Einwanderung, wetterte gegen „ungeregelte Einbürgerungen“, behauptete, die Linke wolle die Polizei „entwaffnen“, und ließ sich sogar zum Ausspruch hinreißen, Syriza wolle die Heiligenbilder aus den Klassenzimmern entfernen. Mit dieser Rückkehr zu seinen rechtspopulistischen Anfängen scheint er die Abwanderung der konservativen Kernwählerschaft weiter nach rechts verhindern zu wollen. Die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) und die rechtsextreme Goldene Morgenröte haben die ND in den letzten Jahren viele Stimmen gekostet.

In Umfragen liegt Syriza nach wie vor mit drei bis sechs Prozent vor der ND. Im Fall eines Wahlsieges würde die Linkspartei für eine selbstständige Regierungsbildung 36 bis 38 Prozent der Stimmen benötigen, das erscheint unrealistisch. Syriza wird also auf die Unterstützung der Kleinparteien im Parlament angewiesen sein. Anel bekennt sich offen zu einer Stützung von Syriza bei der Regierungsbildung, ihr Einzug ins Parlament ist allerdings ungewiss.

Anel-Chef Panos Kammenos hatte mit seinem Wahlspot jedenfalls einen Lacherfolg zu verbuchen. Darin erklärte er einem kleinen „Alexis“, wie man das Entgleisen eines Zuges verhindern kann – eine unverhohlene Anspielung auf die Rolle seiner Partei im Fall einer Koalition mit der Partei von Tsipras. Gut in den Umfragen, an dritter Stelle, liegt die neue Partei Potami (Fluss), die der linken Mitte zuzuordnen ist. Doch Tsipras schloss zuletzt eine Zusammenarbeit mit der Partei des Journalisten Stavros Theodorakis aus.

„Versteckte Stimmen“. Die Pasok kämpft nach der Abspaltung der „Bewegung der sozialistischen Demokraten“ des ehemaligen Premiers Giorgos Papandreou um ihr Überleben. Papandreou schaffte in Umfragen auf Anhieb etwa 2,5 Prozent der Stimmen, ein Einzug ins Parlament ist aber ungewiss. Dafür sind drei Prozent erforderlich.

Die rechtsextreme Goldene Morgenröte scheint an Stimmen verloren zu haben. Doch Meinungsforscher gehen von „versteckten“ Stimmen für die Partei aus, deren Führung im Gefängnis auf ihren Prozess wartet. Eine böse Überraschung könnte es geben, sollten die Rechtsextremen dritte Partei werden – dann müsste der Staatspräsident laut Verfassung die Goldene Morgenröte mit der Bildung einer Regierung beauftragen, falls die ersten beiden Parteien scheitern.

Wahlberechtigt sind insgesamt 9,9 Millionen Griechen. 100.000 Jungwähler, die dieses Jahr 18 werden, sind wahlberechtigt, dürfen aber nicht mitstimmen, weil sie noch nicht in die Register eingetragen wurden – ein Skandal. Auch Auslandsgriechen sind nicht wahlberechtigt. (c.g.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

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