Wunsch des Kinds nicht entscheidend

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Mutter reiste mit Kindern illegal nach Österreich. Vater in Spanien forderte sie zurück. Kinder erklärten, bleiben zu wollen. Das sei ein Aspekt, aber nicht ausschlaggebend, sagt der OGH.

Wien. Die Meinung von Kindern ist zwar relevant, aber nicht allein dafür ausschlaggebend, ob sie zu Vater oder Mutter kommen und in welchem Land sie leben. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH).

Die Eltern hatten 1996 in Palma de Mallorca geheiratet. Das Paar bekam zwei Kinder. Als das Eheglück verblasste, wurde von einem spanischen Gericht ein gemeinsames Sorgerecht verfügt. Die Kinder sollten sich wöchentlich abwechselnd einmal bei der Mutter und einmal beim Vater aufhalten. Zudem wurde festgelegt, dass die Kinder das Land nur verlassen dürfen, wenn es ein Richter genehmigt.

Die Mutter reiste mit den Kindern (damals neun und elf Jahre alt) 2013 eigenmächtig nach Österreich. Beide Kinder wurden in österreichischen Schulen eingeschrieben. Als der Vater die Kinder zurückforderte, wurde vor (dem nun zuständigen österreichischen) Gericht eingewandt, dass die Kinder sich hier wohl fühlten. Sie wäre „sehr traurig“, wenn sie zurück nach Spanien müsste, erklärte die Tochter. Auch der Sohn betonte, in Österreich bleiben zu wollen. In Spanien seien nämlich „alle sehr wild“ gewesen, hier sei er in der nettesten Klasse der Schule. Er spricht auch gut Deutsch. In Österreich lebt zudem der Großteil der Verwandten der Kinder. Beide erklärten aber auch, Kontakt zum Vater haben zu wollen. Am besten, indem er nach Österreich komme.

Wer ist als Elternteil geeignet?

Der Vater beantragte die Rückführung der Kinder nach Spanien. Die Mutter wandte mehrere Gründe dagegen ein. So sei der Vater seit acht Jahren ohne Anstellung und habe kein Erwerbseinkommen. Auch, dass der Vater drogenabhängig, cholerisch, aggressiv und gewalttätig sei, wurde vorgebracht. Ob dem so sei, könne nicht festgestellt werden, so das Gericht. Festgehalten wurde hingegen, dass der Vater im Internet eine Kunstgalerie betreibt und für eine Bar Musikgruppen aussucht. Er verfügt im Monat über mindestens 2000 Euro und hat ein Haus. Momentan leistet er aber – auf Anraten seines Anwalts – keinen Unterhalt für die Kinder. Der Vater erklärte zudem, die Aussagen der Kinder, in Österreich wohnen zu wollen, würden in Wahrheit auf die Mutter zurückgehen.

Die Frau hat eine Firma, die sich mit EDV und Webseitenprogrammierung beschäftigt. Sie sähe das Kindeswohl gefährdet, wenn man den Nachwuchs beim Vater lassen würde. Aus ihrer Sicht sei sie auch korrekt ausgereist. Der Vater stützte sich hingegen auf das für internationale Fälle hier relevante Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ).

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab. Denn laut HKÜ kann ein Gericht die Rückführung des Kindes ablehnen, wenn das Kind sich „der Rückgabe widersetzt“ und bereits reif genug ist, sodass „es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen“. Das sei hier der Fall.

„Traurig sein“ reicht nicht

Dem widersprach in zweiter Instanz das Landesgericht Wels. „Widersetzen“ müsse nämlich mehr sein als nur die bloße Präferenz oder der Wunsch eines Kindes, in einem Land zu bleiben. Nur weil die Kinder traurig seien, falls sie nach Spanien zurückmüssten, heiße das noch nicht, dass sie die Rückkehr generell ablehnten. Wenn die Mutter den Kindern eine Rückkehr nach Spanien „positiv verkaufen“ würde, würden die Kinder sich mit dem Leben auf Mallorca auch schnell wieder arrangieren.

Der OGH (6 Ob 217/14a) bestätigte das Urteil. Es handle sich um eine Ermessensfrage: Man müsse den Wunsch des Kindes einerseits und das Gesamtziel des Kindesentführungsabkommens (also, dass die illegal verbrachten Kinder wieder zurückkommen) andererseits abwägen. Der Wunsch des Kindes allein könne nicht entscheidend sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

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