Syrien/Irak: IS erpresst Japan nach Geiselnahme

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Islamisten haben zwei Japaner verschleppt und wollen 200 Millionen Dollar für ihre Freilassung. Die Terrororganisation dürfte in finanziellen Schwierigkeiten stecken.

Wien/Jerusalem. Kenji Goto Jogo und Haruna Yakuwa dürften sich erstmals im April vergangenen Jahres begegnet sein, als beide japanischen Staatsbürger für kurze Zeit von der Freien Syrischen Armee festgehalten wurden. Nach ihrer Freilassung flog Jogo nach Japan und kehrte kurze Zeit später in die Region zurück, diesmal in den Irak, wo er Yakuwa erneut traf. Sie dürften anschließend gemeinsam die Gegend bereist haben; Jogo ist ein bekannter Kriegsreporter, der über den Bürgerkrieg in Syrien berichten wollte, Yakuwa hingegen ein Blogger und, wie japanische Medien rekonstruiert haben, ein zerstreuter Abenteurer mit Militär-Spleen.

Irgendwo in der steinigen Wüste sind die Japaner in die Hände des Islamischen Staates (IS) geraten. Ein Video, das am Dienstag von der Terrororganisation verbreitet wurde, zeigt zwei Männer, bei denen es sich um Jogo und Yakuwa handeln dürfte. Sie sind die ersten ausländischen Geiseln in diesem Jahr, mit denen der IS an die Öffentlichkeit geht. Erstmals wurden Japaner entführt – und erstmals verlangt der IS Geld für seine Geiseln. Mit diesem Video scheint sich auch ein anderer Extremist zurückzumelden: „Jihadi John“, der Henker der IS-Geiseln James Foley, Steven Sotloff, David Haines und einigen mehr. Rechts und links neben dem vermummten Jihadi John (Experten haben seinen britischen Akzent mit den Reden in anderen Videos verglichen) knien Jogo und Yakuwa in orangen T-Shirts – im Hintergrund ist Brachland zu sehen –, während der Jihadist den japanischen Premier Shinzo Abe adressiert.

„Du hast stolz 100 Millionen gespendet, damit unsere Frauen und Kinder getötet werden“, sagt der Vermummte mit Blick auf die Zusage Abes am Wochenende, der Anti-IS-Koalition finanzielle Mittel bereitzustellen. Zudem stelle er weitere 100 Millionen zur Verfügung, so der Vermummte, damit die Jihadisten bekämpft werden. Daher verlangt der IS 200 Millionen Dollar Lösegeld – und zwar innerhalb von drei Tagen. Ansonsten drohe den beiden der Tod.

Tod wegen Fußball

Abe, der sich derzeit im Nahen Osten aufhält, sagte am Dienstag in Jerusalem, dass das Leben der Geiseln oberste Priorität habe. Er werde alles daran setzen, damit sie freikommen. Die zugesagten 200 Millionen Dollar seien für humanitäre Projekte vorgesehen und würden auch weiterhin zur Verfügung stehen, so Abe.

Gehen der Terrororganisation die finanziellen Mittel aus? Beobachtern zufolge ist dies mit ein Grund dafür, dass der IS nun Geld erpresst. Die Luftangriffe der Anti-IS-Koalition haben mehrere Ölreserven des IS zerstört, wie US-amerikanische Quellen zuletzt bekannt gaben. Demnach kann den Kämpfern kein Gehalt mehr ausbezahlt werden. Zudem ist der Ölpreis gesunken und vorhandene Reserven dürften auch zur Neige gehen. Als am Wochenende die Islamisten rund 200 festgehaltene Yeziden frei gelassen haben, ging schnell das Gerücht um, dass der IS keine Mittel mehr habe, um die vornehmlich alten Menschen und Kinder zu versorgen. Deren Freilassung war durchaus eine Überraschung, ist der IS doch vorher plündernd und mordend durch die Wohngebiete der Yeziden gezogen.

Trotz dieser „Begnadigung“ setzt der IS seine Terrorherrschaft fort. Jüngst sollen ein Dutzend Jugendliche im irakischen Mossul hingerichtet worden sein, weil sie „unislamisch handelten“, in dem sie Fußball schauten oder Tauben züchteten. Vergangene Woche machten Fotos die Runde, die zeigen, wie ein Mann in Mossul von einem hohen Gebäude in den Tod gestürzt wird. Er soll homosexuell gewesen sein. Im syrischen Deir ez-Zor sollen die Jihadisten unterdessen mehrere Menschen gekreuzigt haben.

Während die von den USA geführte Anti-IS-Koalition die Luftangriffe fortsetzt, haben sich Islamisten im Irak Gefechte mit kanadischen Soldaten geliefert, die zu strategischen Besprechungen vor Ort waren. Die Kanadier setzten sich zur Wehr. Westliche Länder wollen sich auch in Hinkunft nicht mit Bodentruppen am Kampf gegen den IS beteiligen.

Undurchsichtiges Geschäft

Dass Jihadi John seine Drohungen ernst meint, bezweifelt in den einschlägigen Foren der sozialen Medien niemand. Der Islamist, dessen Vater in den USA wegen Verbindungen zu Terrorgruppen und -aktionen der Prozess gemacht wird, soll in England Rapper gewesen sein, ehe er sich dem IS anschloss.

Für Verwunderung sorgt in der japanischen Öffentlichkeit unterdessen die Geschichte der Geisel Yakuwa, der selbst ernannter Geschäftsführer eines undurchsichtigen „privaten Militärunternehmens“ sein soll. Er postete Bilder von sich mit Kalaschnikows und fuhr offenbar mit der Freien Syrischen Armee durch das Land. Er wird als psychisch labil dargestellt und soll einen Selbstmordversuch unternommen haben, indem er seine Genitalien abschnitt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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