"Da muss was geschehen": Ungleichheiten nehmen zu

Sozialminister Rudolf Hundstorfer
Sozialminister Rudolf Hundstorfer APA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken

Der Sozialbericht bestätigt eine wachsende Kluft zwischen Einkommen aus Arbeit und jenem aus Unternehmen. Sozialminister Hundstorfer fordert Taten.

Armut und Armutsgefährdung sind seit Ausbruch der Wirtschaftskrise gesunken. Das geht aus dem Mittwoch vom Sozialministerium veröffentlichten Sozialbericht 2013/2014 hervor. Maßgeblich für die im EU-Vergleich niedrige Armutsgefährdung der Österreicher ist demnach vor allem die staatliche Umverteilungspolitik: Fast 30 Prozent der Wirtschaftsleistung fließen in Sozialmaßnahmen.

Ohne Pensionen und Sozialleistungen wären laut dem Bericht 44 Prozent der Österreicher (3,7 Millionen Menschen) armutsgefährdet, tatsächlich sind es nur 14,4 Prozent - deutlich weniger als in den 28 EU-Ländern. Tatsächlich arm (von "erheblicher materieller Deprivation" betroffen) sind rund 355.000 Personen. Beide Werte sind seit Ausbruch der Wirtschaftskrise noch gesunken.

Wachstum der Sozialausgaben "spürbar verringert"

Die Kosten des Sozialsystems sind seit 2008 zwar gestiegen. In anderen EU-Staaten fiel das Wachstum aber stärker aus: So lag Österreich 2008 mit einer Sozialquote leicht über dem EU-Durchschnitt noch auf Rang acht in der Union, 2011 lag Österreich mit Sozialausgaben leicht unter dem Durchschnitt auf Rang elf.

Außerdem weist das Sozialministerium in dem Bericht darauf hin, dass das Wachstum der Sozialausgaben seit Mitte der 1990er Jahren "spürbar verringert" worden sei: Die realen (also inflationsbereinigten) Sozialausgaben pro Kopf stiegen damals um 3,2 Prozent, in den vergangenen beiden Jahren waren es nur 0,7 bzw. 0,3 Prozent - und zwar trotz stark steigender Kosten des Pensionssystems: "Die erhöhten alterungsbedingten Mehrkosten wurden durch kostendämpfende Konsolidierungsmaßnahmen weitgehend ausgeglichen", heißt es dazu im Bericht.

Finanziert werden die Sozialleistungen gut zur Hälfte aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen, ein weiteres Drittel kommt aus dem Budget.

Während die Armutsgefährdung sinkt, steigt die Einkommens-Ungleichheit weiter an: Der Gini-Koeffizient (0 meint absolute Gleichverteilung, bei 1 erhält einer alles) bei den Arbeitnehmereinkommen ist von 0,448 im Jahr 2008 auf 0,456 im Jahr 2012 angestiegen. Deutlich weniger ungleich als die Personeneinkommen sind allerdings die Haushaltseinkommen verteilt: Hier lag der Gini-Koeffizient 2008 bei 0,329 und stieg bis 2011 auf 0,345. Dementsprechend ist auch der Anteil der ärmeren Haushalte am Gesamteinkommen gesunken, jener des einkommensstärksten Fünftels aber gestiegen.

Hundstorfer: "Freunde, da muss was geschehen"

Ein Versagen seiner Partei, die in den vergangenen Wahlkämpfen stets für mehr Gerechtigkeit geworben hat, will Sozialminister Rudolf Hundstorfer aus den Ergebnissen des Sozialberichtes nicht ablesen, wie er am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" betonte. „Die SPÖ hat überhaupt nicht versagt, die SPÖ konnte sich nur mit all ihren Punkten in der Koalition nicht immer durchsetzen.“ An den bestehenden Ungleichheiten sei aber „nicht der Koalitionspartner schuld – nicht alleine“, so der Minister. Schließlich habe nicht nur Österreich mit derartigen Problemen zu kämpfen, wirbt er für die rasche Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer.

Als politischen Auftrag lese er aus dem Sozialbericht „einerseits Entlastung der Kleinst- und Kleineinkommen, dass wir hier versuchen, diesen Menschen wirklich entsprechend zu helfen“. Als zweiten Punkt „muss es auch irgendwo bei den vermögensbezogenen Steuern was geben“. Weitere Details wollte er nicht preisgeben. Nur so viel: „Freunde, da muss was geschehen.“

>> Minister Hundstorfer im Ö1-"Morgenjournal"

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Die größte Armutsgefährdung geht vom ineffizienten Sozialstaat aus

Immerhin ist die Armut in Österreich trotz Krise nicht gestiegen. Aber allein um den Status quo zu halten, zahlen wir immer mehr Geld ins Sozialsystem.
Geldbörse mit Euroscheinen
Politik

Reaktionen: "Völliges Versagen" bis Steuerreform-Motor

SPÖ und Grüne sehen ihre Reformforderungen bestätigt, für die ÖVP sind Vermögenssteuern weiter unnötig. Die IV sieht keine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.