Mehr als 1000 Gerichtsverhandlungen dürften am Donnerstag österreichweit ausfallen. Richter und Staatsanwälte wollen so gegen befürchtete Gehaltseinbußen ankämpfen.
Richter und Staatsanwälte machen mit ihrem Protest gegen die befürchteten Gehaltseinbußen für Beamte Ernst. Am Donnerstag wird österreichweit ein Großteil der Gerichtsverhandlungen abgesagt, kündigten sie am Mittwoch an. Wie viele Verhandlungen tatsächlich entfallen werden, konnte Gerhard Jarosch von der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte am Mittwoch nicht sagen. Stattfinden sollen nur Haftsachen (also Verhandlungen, durch deren Verschiebung sich eine U-Haft verlängern würde) und Causen, in denen ein unmittelbarer vermögensbezogener Schaden entstehen würde.
In Tirol rechneten Gewerkschafter mit nahezu geschlossener Beteiligung der Richter, am Landesgericht Salzburg wurden alle Strafprozesse abgesagt. In anderen Bundesländern blieben die Angaben noch vage.
Christian Haider, Vorsitzender der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD), sprach von über 1000 Verhandlungen, die ausfallen könnten. "Das ist kein Streik im Sinn von Arbeitsniederlegung", betonte er. Die Richter würden sich in dieser Zeit anderen Tätigkeiten, etwa der Ausfertigung von Urteilen, widmen.
Schaden von bis zu 50.000 Euro
Und damit dürften sie es auch nicht belassen: "Das wird nicht die letzte Protestmaßnahme sein", betonte Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung. Auf Regierungsseite sei man stur und völlig uneinsichtig, die für die Bürger merkbaren Auswirkungen habe sich die Bundesregierung daher selbst zuzuschreiben. Es sei "fern jeglicher bisheriger Praxis", dass man "in quasi einer Nacht und Nebelaktion ohne Einbeziehung der betroffenen Berufsgruppen, ohne jegliche Information, einen Gesetzestext über das Wochenende verschickt,den man heute beschließen will", betonte Zinkl im Ö1-"Mittagsjournal".
"Es sind pro Bediensteten zumindest eine Einbuße von rund 5000 Euro an Lebensverdienstsumme", rechnet der Präsident der Richtervereinigung im ORF-Radio vor. In höheren Besoldungsgruppen gehe der Schaden jedoch "bis zu 50.000 Euro." Jarosch nennt indes rund 6000 Euro, die ein junger Staatsanwalt durch die Neuregelung an Lebensverdienstsumme verliere.
Hintergrund der als kostenneutral präsentierten Neuregelung der Beamtengehälter, die am Mittwoch im Nationalrat beschlossen werden sollte, sind Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die dadurch nötig gewordenen Änderungen bringen neue Regeln bei der Gehaltseinstufung. Richter und Staatsanwälte sind verärgert, dass gerade ihre Berufsgruppe diese Einbußen tragen soll. Sie argumentieren nämlich, dass die Änderungen ihren Stand besonders stark treffen. Auch das Durchpeitschen der Novelle im Schnellverfahren sorgt für Kritik.
Beamtengehälter
Der Europäische Gerichtshof hat die bisherige Form der Anrechnung von Vordienstzeiten nach der Klage eines Polizeibeamten als nicht EU-konform aufgehoben. Daraufhin wies Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) kurzfristig eine Lösung - ohne vorherige Einigung mit der Beamtengewerkschaft unter dem Vorsitz von Fritz Neugebauer (ÖVP) - dem Parlament zu. Diese wurde ohne gesetzliche Begutachtung am Montag von der Koalition im Verfassungsausschuss des Nationalrats beschlossen und steht am Mittwoch im Plenum auf der Tagesordnung.
In der Neuregelung wird, um die Kosten durch die geänderte Anrechnung von Vordienstzeiten auszugleichen, das System der Vorrückungen beim Gehalt für alle Beamten und Vertragsbediensteten geändert.
>> Bericht im Ö1-"Mittagsjournal"
(APA/Red.)