Eine Chance für Bretton Woods II

Die Finanzierung des Bankenpakets sollte nicht von der Allgemeinheit getragen werden, sondern von den Verursachern und Profiteuren der Krise.

Die Hoffnungen an den „Weltfinanzgipfel“ der G20 am 2. April sind hochgeschraubt. Die Konferenz wird „Bretton Woods II“ genannt, nach dem Treffen der Siegermächte am Ende des 2. Weltkriegs, das zu einem strengen Korsett für die globalen Finanzmärkte führte: Goldstandard, Weltleitwährung US-Dollar, fixe Wechselkurse, Kapitalverkehrskontrollen, Gründung von Weltbank und Währungsfonds.

Die Hoffnungen auf einen ähnlichen Coup wie 1944 sind jedoch unbegründet. Denn am Konferenztisch sitzen die maßgeblichen Verursacher der Krise. Die westlichen Regierungen haben in den letzten 30 Jahren die Krise Zutat um Zutat gebraut. Sie haben „freie“ globale Finanzmärkte hergestellt und dabei auf jede globale Aufsicht, Regulierung und Kontrolle bewusst „verzichtet“. Der Grund: Die immer mächtigere Finanzindustrie hat gegen die Regulierung der Finanzmärkte erfolgreich lobbyiert. Allein zwischen 1998 und 2008 bezahlte die Wall Street 5,1 Mrd. US-Dollar an Lobbyisten – mit „fulminantem“ Erfolg. 1999 wurde der legendäre Glass Steagall Act, der 1933 das Kredit- vom Aktiengeschäft trennte, weggesprengt. Zeitgleich wurde eine Initiative im US-Kongress zur Regulierung von Derivaten abgeblockt. Die EU schuf 1999 ihren „Finanzbinnenmarkt“, Österreich startete 2000 eine „Kapitalmarktoffensive“, die der Börsenumsatzsteuer den Garaus machte, die Pensionen dem Osteuropa-Risiko auslieferte und Aktienoptionen seither steuerlich fördert. Die maßgeblichen Akteure sind weiter an der Macht.

Dollar als Weltleitwährung ablösen

Die Voraussetzung, dass bei „Bretton Woods II“ etwas herauskommt, das diesen Namen auch verdient, ist daher die demokratische Verbreiterung des Prozesses. Nicht nur 20 Regierungen, sondern auch Vertreter der Parlamente und der Zivilgesellschaft aus 192 Staaten müssen an den UN-Konferenztisch. Sonst bleibt die Rede vom „Global Village“ Spott und Hohn. Was wäre inhaltlich zu tun? Eine globale Finanzmarktaufsicht müsste die Macht erhalten, private Banken so weit zu teilen, dass sie nicht mehr „too big to fail“ sind. Sämtliche Kredite müssen in die Bilanzen aufgenommen und Niederlassungen in Steueroasen geschlossen werden. Fonds müssen streng reguliert und Finanzderivate von der Finanzmarktaufsicht geprüft und zugelassen werden. Um aus Geld und Kredit ein öffentliches Gut zu machen, sollten nicht gewinnorientierte Banken gefördert werden, welche die Grundfunktion der Finanzmärkte – günstige Kredite an „realinvestierende“ KMU – wieder aufnehmen.

BrettonWoodsII böte die historische Chance, den zentralen Konstruktionsfehler von Bretton Woods I zu korrigieren: Der Dollar sollte als Weltleitwährung von einem Währungskorb abgelöst werden, wie ihn Keynes schon 1944 vorgeschlagen hatte. Dieser „Globo“ (Keynes: „Bancor“) wäre keine Weltwährung, sondern nur eine Verrechnungseinheit für globale Handels- und Kreditflüsse. Die Wechselkurse der Landeswährungen zum „Globo“ könnten von einem UN-Währungsausschuss regelmäßig auf Basis der makroökonomischen Fundamentaldaten angepasst werden. Damit besäße dieses System neben Stabilität auch Flexibilität – eine Stärke, die dem Euro schmerzlich fehlt.

Die EU müsste mit aller Macht auf die globale Regulierung der Finanzmärkte drängen. Sollten ihre Handelspartner jedoch nicht dazu bereit sein, müsste sie die gleichen Maßnahmen im Binnenmarkt durchsetzen und beim Kapitalverkehr differenzieren. Damit hätte sie sich wirkungsvoll vor der Ansteckung mit der Subprime-Krise schützen können: Sie hätte „reale“ Dollars (Handel, Tourismus, Investitionen) frei einreisen lassen und gefährliche Derivate und finanziellen Giftmüll aussperren können. Aufgrund ihrer pseudoliberalen Dogmatik hat die EU mit dem Subprime-Giftmüll auch die Rezession importiert.

Die Konjunkturpakete sind angesichts der immer düsteren Prognosen viel zu klein: Österreichs 1,3% vom BIP werden die Rezession nur um etwa 0,75% abschwächen. Wenn die Wirtschaft aber um zwei oder drei Prozent schrumpft, ist das ein Tropfen auf den heißen Fels. Deshalb sollten gezielt 100.000 Arbeitsplätze durch breit gestreute Investitionen geschaffen werden: Bildung, Gesundheit, Pflege, Kultur, öffentlicher Verkehr, thermische Sanierung, erneuerbare Energien. Das wären sinnvolle und ökologisch produktive Arbeitsplätze. Ihre Finanzierung – und die des Bankenpakets – sollte jedoch nicht von der Allgemeinheit (via höhere Staatsschulden) getragen werden, sondern von den Verursachern und Profiteuren der Krise. Das Vermögen der globalen Dollar-Millionäre ist in den letzten zehn Jahren um 20 Billionen (!) US-Dollar angewachsen. Eine zweiprozentige Steuer auf die globalen „High Net Worth Individuals“ würde weltweit jährlich rund 600 Mrd. US-Dollar einspielen, auch nach der aktuellen Vermögensschmelze. In Österreich würde eine 1,5-prozentige Vermögenssteuer auf die oberen zehn Prozent der Bevölkerung zehn Mrd. Euro einspielen, das 2,5-Fache des aktuellen Konjunkturpakets, 90% der Bevölkerung blieben vermögenssteuerfrei.

Alle Aktionäre zur Verantwortung ziehen

Eigentlich müssten rückwirkend alle Aktionäre der involvierten Banken, Investmentbanken und Versicherungen zur Verantwortung gezogen werden. Ursprünglich hafteten die Aktionäre noch mit ihrem gesamten Vermögen im Fall des Konkurses einer Aktiengesellschaft. Zumindest sollten Aktienoptionen verboten und Manager stattdessen für die Schaffung von sozialem und ökologischem Mehrwert belohnt werden. Die EU sollte mithilfe von Steuern die Höchsteinkommen begrenzen, zum Beispiel mit dem 30-Fachen der jeweiligen Mindestlöhne. Dann bräuchten die Reichen keine Angst mehr haben, und der soziale Friede wäre gesichert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2009)

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