"Schwerster Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit" in Österreich

Nebel umgibt die Baukraene
Nebel umgibt die Baukraene (c) AP (Axel Heimken)
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Österreichs Wirtschaft wird 2009 um 2,2 bis 2,7 Prozent schrumpfen. Die Maastricht-Grenze von drei Prozent Budgetdefizit werden die meisten Staaten überschreiten.

Die heimische Wirtschaft dürfte heuer um 2,2 bzw. 2,7 Prozent schrumpfen, nehmen Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für höhere Studien (IHS) in ihrer Frühjahrsprognose an. "Die Weltwirtschaft ist in einer tiefen Rezession", der sich "Österreich als kleine, exportorientierte Volkswirtschaft nicht entziehen kann", erklärten die Experten bei der Prognose-Vorlage am Freitag. Es handle sich um "den schwersten Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit". Das Budgetdefizit wird heuer auf 3,5 und 2010 auf mindestens vier Prozent steigen.

Das Bip

Das Brutto-Inlands-Produkt ist die Summe aller Wertschöpfungen innerhalb einer Volkswirtschaft. Es entsteht aus der Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen der einzelnen Betriebe. Steuern werden addiert, Subventionen abgezogen. Ein stark vereinfachtes Beispiel: Ein Importeur kauft eine Ware X um 15 Euro. Er verkauft sie um 18 Euro an einen Großhändler. Dieser verkauft sie um 21 Euro an einen Einzelhändler. Dort kauft sie ein Konsument um 26 Euro. Hier wurden 3+3+5 = 11 Euro Wertschöpfung erzielt, das BIP stieg dadurch um elf Euro.

Arbeitslosigkeit steigt über acht Prozent

Die Arbeitslosigkeit wird in Österreich drei Jahre lang hoch sein, da auch nach der Trendwende keine Rückkehr zu früheren BIP-Wachstumsraten zu erwarten sei. Wifo-Chef Karl Aiginger verwies auf die Regel, dass die Beschäftigung nicht steigt, ehe es nicht mindestens zwei Prozent Wachstum gibt, und die Arbeitslosenzahl erst ab 2,5 Prozent BIP-Plus zurückgeht.

Nach heimischer Berechnung dürfte die Arbeitslosenquote 2009 auf fast 7,5 Prozent und 2010 über acht Prozent klettern, nehmen die Institute an. Die Beschäftigtenzahl dürfte, nach mehreren Jahren mit Zuwächsen, heuer um über ein Prozent und 2010 nochmals um 0,5 Prozent zurückgehen. Dabei streut die Arbeitslosenquote recht stark nach Bildungsgrad:

  • Bei Akademikern beträgt sie zwei Prozent,
  • bei Maturabsolventen drei Prozent, aber
  • bei Pflichtschulabsolventen 14 Prozent.

Der heimische Arbeitsmarkt reagiert auf die Konjunkturabschwächung "ungewöhnlich rasch", stellt das Wifo fest. Schon seit April 2008 stagnierte die Beschäftigung im saisonbereinigten Vormonatsvergleich, seit Oktober sinkt sie.

Die Beschäftigtenzahl werde heuer um 38.000 (-1,2 Prozent) abnehmen, jene der vorgemerkten Arbeitslosen um 53.000 (+25 Prozent) steigen. Auch 2010 werde sich die Lage noch nicht bessern: Die Beschäftigung werde um weitere 20.000 sinken (-0,6 Prozent) und die Arbeitslosigkeit um 33.000 Personen steigen. Die Arbeitslosenquote werde auf 7,3 Prozent 2009 und 8,2 Prozent 2010 klettern, laut Wifo "die höchste Quote seit über 20 Jahren".

Das Institut für Höhere Studien (IHS) geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen heuer um 62.000 steigt und 2010 nochmals um 34.000, also in Summe um fast 100.000. Im Februar waren in Österreich 301.695 Menschen arbeitslos gemeldet; hinzu kommen noch knapp 58.000 in Schulung befindliche Personen sowie 42.000 in Kurzarbeit.

Industrie-Aufträge brechen ein

Der Industrie in den Euro-Ländern brechen die Aufträge wegen der Rezession in Rekordgeschwindigkeit weg. Sie lagen im Jänner um 34,1 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Einen so starken Rückgang habe es bislang noch nicht gegeben. Von Reuters befragte Analysten hatten lediglich mit einem Minus von 28,7 Prozent gerechnet. Deutschland verzeichnete mit 37,7 Prozent den stärksten Einbruch. Die Nachfrage sei in allen Bereichen geschrumpft, besonders aber bei Fahrzeugen und anderen Investitionsgütern, hieß es.

Trendwende 2010

2010 sollten dann auch international die Maßnahmen zur Konjunkturstützung greifen. Dies werde die Nachfrage stabilisieren, so dass Österreichs Wirtschaft um 10,5 Prozent wachsen kann, hoffen die Fachleute. Wie in den meisten EU-Staaten wird die 3-Prozent-Grenze beim Budgetdefizit laut Maastricht allerdings mit heuer 3,5 und nächstes Jahr vier Prozent überschritten werden, so das Wifo. "Jedoch leisten die fiskalpolitischen Maßnahmen in dieser außergewöhnlichen Wirtschaftslage einen wichtigen Beitrag zur Stützung der heimischen Wirtschaft und sind daher als notwendig zu bewerten", wird betont. Die Konjunkturpakete hält das IHS "noch für ausreichend dotiert".

Die Oesterreichische Nationalbank hatte vor kurzem noch die Trendewende bereits Mitte 2009 prognostiziert.

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OECD: Weltwirtschaft sinkt um 4,2 %

Auch die OECD will die Konjunkturprognose für ihre 30 Mitgliedsländer drastisch senken. In den Industriestaaten sei im laufenden Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 4,2 Prozent zu erwarten, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria am Freitag. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird ihren genauen Ausblick auf die Konjunktur am Dienstag vorlegen.

(c) APA



Im November hatte sie für die OECD-Länder nur einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 0,4 Prozent vorhergesagt. Wegen der weltweiten Rezession haben seitdem zahlreiche Institute und Organisationen ihre Konjunkturprognosen gesenkt.

(Ag.)

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