So viel Unabhängigkeit kommt die Schweizer teuer zu stehen

Euro und Franken
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Mit dem Mindestkurs-Stopp wollte sich die Notenbank von der Euro-Geldpolitik abkoppeln. Das passt zum helvetischen Selbstverständnis.

Leere Auftragsbücher, ausbleibende Gäste, drohende Rezession – wenn das nur nicht die Feierlaune trübt! Denn eigentlich wollen die Schweizer heuer ein Jubiläum zelebrieren. Die Schlacht von Morgarten gegen die Österreicher hat es zwar nach Ansicht nüchterner Historiker nie gegeben, weder vor 700Jahren noch zu einem anderen Zeitpunkt. Aber das stört die Eidgenossen nicht. Zu schön ist der Mythos von den armen Bergbauern, die das gut gerüstete Heer des Habsburger-Herzogs Leopold mit Baumstämmen und Steinen in die Flucht geschlagen haben. Eine Legende, die das Land der vier Sprachen zu einer „Willensnation“ vereint hat – störrisch, freiheitsliebend und unabhängig.

Das passt gut zum spektakulären Coup ihrer Nationalbank, so schmerzhaft seine Folgen auch sind: Am 15. Jänner stoppte die SNB völlig überraschend die Interventionen, mit denen sie über drei Jahre lang einen Mindestkurs von 1,20 Franken für einen Euro gesichert hatte. Der Wert der eigenen Währung ist sofort um 20 Prozent hinaufgeschnellt und liegt immer noch um 14 Prozent über dem alten Grenzwert. Dessen Zielsetzung war es gewesen, den Franken nicht zu stark werden zu lassen, trotz seiner Funktion als „sicherer Hafen“ für Investoren. Aber jetzt, so verbreitet SNB-Chef Thomas Jordan Mut, sei die Exportwirtschaft wettbewerbsfähig genug, um sich auch mit höheren Preisen behaupten zu können. Was er nicht gern sagt: Wegen der lockeren Geldpolitik der EZB, die den Euro schwächt, war das Ziel nur noch durch eine immer weiter aufgeblähte Bilanz und immer größere Devisenberge zu verteidigen. Allein im Jänner hätte die SNB 100 Mrd. Franken investieren müssen, verriet jüngst ein Direktoriumsmitglied. Damit stieg die Gefahr, dass Spekulanten die Kursgrenze unter Beschuss nehmen. Doch von Kapitulation ist keine Rede. Lieber betonen Währungshüter, Politiker und Kommentatoren, dass die Geldpolitik durch den freien Wechselkurs ihre Unabhängigkeit unter Beweis stellt. Mit der aus ihrer Sicht fragwürdigen Weichwährungspolitik der EZB wollen die Schweizer nichts zu tun haben, also mussten sie die Anbindung stoppen. Eine neue Legende?

Dabei wirkt die Notenbank, die sich jedem Einfluss des Wahlvolks verweigert, in der Heimat der direkten Demokratie wie ein Fremdkörper. Besonders die rechte Schweizer Volkspartei (SVP) versuchte immer wieder, ihre Macht zu beschränken – zuletzt mit der gescheiteren Goldinitiative im November. Andererseits pocht die SVP auf eine vom Ausland unabhängige Währungspolitik. Das Ende des Mindestkurses kann sie daher nur als „mutigen Schritt“ gutheißen. Durch ihn droht freilich heuer eine Rezession von einem halben Prozent, wie die ETH Zürich prognostiziert. Das wäre eine schwere Niederlage für die erfolgsverwöhnten Schweizer – so wie in der Schlacht von Marignano bei Mailand gegen die Franzosen. Sie jährt sich heuer zum 500. Mal – und es hat sie wirklich gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

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