Konjunktur: Deutschland boomt, Österreich nicht

(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Oskar Hoeher)
  • Drucken

Deutschland profitiert von der niedrigen Inflation und dem schwachen Euro. Die Wirtschaft wächst, die Börse markiert ein neues Rekordhoch. In Österreich, Frankreich und Italien sieht die Lage aber weniger rosig aus.

Wien/Berlin/Brüssel. 0,7 Prozent Wirtschaftswachstum – das klingt eigentlich nicht nach einem Grund zum Feiern. Die aufstrebenden Chinesen geben sich noch nicht einmal mit dem Zehnfachen zufrieden und jammern, wenn sie bei unter 7,5 Prozent Wachstum liegen. Aber innerhalb der Eurozone sind Deutschlands 0,7 Prozent im vierten Quartal 2014 geradezu als Boom zu bezeichnen, denn in der Wirtschaft ist alles immer relativ.

Die Bundesrepublik wächst im Vergleich zum Vorquartal doppelt so schnell wie die Eurozone – und siebenmal so schnell wie Österreich, das bei einem „Wachstum“ von 0,1 Prozent praktisch Stillstand erreicht hat. Dasselbe gilt für Frankreich (ebenfalls 0,1 Prozent Wachstum). Diese Zahlen hat die Eurostat am Freitag veröffentlicht.

Die Eurozone wuchs demnach von Oktober bis Dezember 2014 um 0,3 Prozent (im Vergleich zum Vorquartal). Und sogar Griechenland darf sich wieder über Wachstum freuen. Auch im Gesamtjahr. Laut Reuters ging es 2014 um 0,8 Prozent voran – also in etwa genauso schnell wie in der Eurozone insgesamt. Österreich erreichte laut IHS nur 0,3 Prozent. Und Deutschland? Das kommt dank des starken Schlussquartals auf 1,6 Prozent – nach nur 0,1 Prozent im Vorjahr.

Der deutsche Aktienindex DAX begrüßte die positiven Nachrichten am Freitag gleich mit einem Anstieg auf über 11.000 Punkte – ein neuer Rekord. „Das ist ein Paukenschlag“, sagte der Deutschland-Chefvolkswirt der Großbank UniCredit, Andreas Rees. „Die konjunkturelle Erholung in Deutschland ist überraschend früh gestartet.“ Aber woran liegt es, dass Deutschland so viel besser dasteht als seine Nachbarn? Der niedrige Ölpreis, der bei manchen Ökonomen schon zu Deflationsängsten führt, spielt sicherlich eine wichtige und positive Rolle. „Das ist ein klares Signal dafür, dass die niedrigeren Ölpreise in den Taschen der Verbraucher angekommen sind“, sagte Carsten Brzeski, Chefökonom der ING-Diba.

Österreich leidet unter Preisen

Aber das allein kann es nicht sein – denn der Ölpreis ist ja für alle gleich niedrig. Die starke deutsche Exportwirtschaft dürfte zwar zusätzlich vom schwachen Euro profitiert haben. Sie verzeichnete im vergangenen Jahr jedenfalls neue Rekordeinnahmen im Ausland. Aber auch hier gilt: Ist der Euro schwach, sollte das allen Exporteuren in der Eurozone helfen. Wo der Hund begraben liegt, zeigt nur der direkte Vergleich. Zum Beispiel mit Österreich. Denn die deutschen Teuerungsraten liegen deutlich unter denen in der Alpenrepublik.

Die sinkenden Energiepreise werden in Deutschland an Unternehmen und Private weitergegeben – während die Preise in Österreich weiterhin stärker steigen als überall sonst in der Eurozone. Wifo und Nationalbank führen das vor allem auf Steuern und Gebühren zurück, die in Österreich stärker steigen als beispielsweise in Deutschland. Das Ergebnis: Die harmonisierte (also europaweit vergleichbare) Inflationsrate lag 2014 in Deutschland bei 0,8 Prozent und beim kleinen Nachbarn Österreich bei 1,5 Prozent – trotz fallender Energiepreise.

Die Reallöhne sinken wegen der hohen Teuerung in Österreich seit mindestens fünf Jahren, was die Kaufkraft schwächt und somit den Konsum. Anders in Deutschland: Dort legen die Reallöhne jetzt wieder zu, was den Bürgern mehr Konsum ermöglicht und die Wirtschaft antreibt. Es kommt zu einer positiven Spirale: „Nicht nur die Konsumenten geben derzeit mehr aus, auch die Unternehmen sind wieder bereit zu investieren“, sagte UniCredit-Ökonom Rees. „Den Russland-Ukraine-Schock haben sie offenbar verdaut.“

Investitionslücke?

Neben Österreich bereiten aber auch die ungleich größeren Volkswirtschaften von Frankreich und Italien der Eurozone neue Sorgen. So herrscht in Italien Stagnation, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch, und viele notwendige Reformen werden weiter hinausgeschoben. Frankreich geht es ähnlich. Auch dort verbessert sich die Lage kaum, das Land stagniert – und die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Da die Regierung gleichzeitig versuchen muss, ihr Haushaltsdefizit zu verringern – also einzusparen – steckt Paris tatsächlich in einer sehr ähnlichen Situation wie Athen fest. Positive Nachrichten gibt es dagegen aus Spanien zu vermelden, das so schnell wuchs wie seit sieben Jahren nicht.

Deutschland muss derweil darauf achten, seinen Vorsprung nicht wieder zu verspielen. Das britische Magazin „Economist“ argumentiert genauso wie der prominente Ökonom und DIW-Chef, Marcel Fratzscher, mit einer „Investitionslücke“ sowohl seitens des Staats als auch der Privaten, die sich in den kommenden Jahren bemerkbar machen könnte. Ob es diese Lücke wirklich gibt, ist aber umstritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

FILE GERMANY ECONOMY EXPORT
International

Konjunktur: Deutschland auf Rekordkurs

Exportweltmeister Deutschland stellt einen neuen Ausfuhrrekord auf – und auch die Reallöhne der Deutschen stiegen 2014 – die der Österreicher allerdings nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.