Argentinien: Anklage gegen Präsidentin Kirchner

Argentiniens umstrittene Präsidentin Kirchner
Argentiniens umstrittene Präsidentin KirchnerREUTERS
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Die Staatschefin wird der Strafvereitelung beschuldigt.Selbst der mysteriöse Tod eines Staatsanwalts stoppt die Ermittlungen nicht.

Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner hatte während ihrer acht Regierungsjahre schon oft Fortüne. Hohe Rohstoffpreise garantierten ihr stetig steigende Steuereinnahmen. Zuletzt half ihr die chinesische Regierung mit zehn Milliarden Dollar über die lästige Kreditklemme nach dem Zahlungsausfall vom letzten Juli, und das, obwohl die Präsidentin sich in einem Anfall von Übermut via Twitter über die chinesische Aussprache lustig gemacht hatte.

Doch nun scheint es, als habe ihre Glückssträhne einen Knick. Gestern hat der argentinische Bundesanwalt Gerardo Pollicita offiziell Anklage gegen Kirchner erhoben. Ausgerechnet am Freitag, den 13. Es handelt sich um die Fortsetzung jenes Strafverfahrens, das Alberto Nisman am 14. Jänner eröffnet hatte. Der Sonderstaatsanwalt hatte nach jahrelanger Ermittlungsarbeit genügend Indizien zusammengetragen, um die Staatschefin, ihren Außenminister Héctor Timerman, den Regierungsabgeordneten Andrés Larroque sowie die mächtigen Politaktivisten Luis D'Elia und Fernando Esteche und einen Argentino-Libanesen der Behinderung der Justiz anzuklagen.

Erkaufte Amnestie?

Den sechs warf der Ermittler vor, im Gegenzug zu lukrativen Öl-, Getreide und womöglich auch Waffengeschäften, eine inoffizielle Amnestie für iranische Spitzenvertreter ausgehandelt zu haben, die Iran von aller Verantwortung für das folgenschwerste Attentat der argentinischen Geschichte freigesprochen hätte. Am 15. Juli 1994 hatte ein 300-kg-Sprengsatz das Gebäude des jüdischen Sozialwerks AMIA zerstört und 85 Menschen getötet.

Alberto Nisman, der 2004 von Néstor Kirchner mit den AMIA-Ermittlungen betraut worden war, fand viele Hinweise darauf, dass die Drahtzieher des Attentats in Teheran saßen. Auf Basis dieser Ermittlungen erwirkte er, dass Interpol sechs prominente Iraner auf die Fahndungsliste nahm. Doch nachdem argentinische Medien 2011 über ein Geheimtreffen zwischen Timerman und dessen iranischen Amtskollegen Ali Akbar Salehi in Syrien berichteten, begann Nisman zu ermitteln. Die in diesem Zusammenhang aufgenommenen Telefonprotokolle füllen 900 CDs und reichten nach Überzeugung des Sonderstraatsanwaltes aus, um die formelle Anklage gegen Kirchner und Konsorten zu erheben.

Staatsanwalt mit Kopfschuss aufgefunden

Vier Tage später fand man Nisman im Bad seiner Wohnung, getötet per Kopfschuss. Während nach schleppenden Ermittlungen kritische Medien und die meisten Bürger die zunächst von Staatsseite propagierte Selbstmord-Theorie anzweifeln, mühten sich die Wortführer der Regierung und deren medialen Hintersassen um die Diskreditierung Nismans und dessen 296 Seiten dicke Anklageschrift.

„Bar jeder Beweise“ sei das Papier, befand etwa der Kirchner-Adlatus Aníbal Fernández. Der vormalige Kabinettschef und Innenminister setzt sein rhetorisches Talent nun mit Vorliebe für die Beschimpfung politischer Gegner ein. Die Oppositionsabgeordnete Elisa Carrió nannte er kürzlich „dreckiger als eine Kartoffel“, nachdem diese Kirchner wegen Behinderung der Justiz in der Todessache Nisman angezeigt hatte.

Kein Wort des Beileids von Kirchner

Schon ehe der Bundesanwalt Pollicita am Freitag seine Anklage vorlegte, hatte Fernández gedroht, ein solches Handeln käme einem „zersetzenden Akt“ gleich. An derlei Rhetorik haben sich die Argentinier seit Jahren gewöhnt. Zum „weichen Putsch“ erklärte Fernández kürzlich den Aufruf mehrerer Staatsanwälte, die zu einem Schweigemarsch für ihren verstorbenen Kollegen Alberto Nisman gerufen hatten, der am Aschermittwoch durch das Zentrum von Buenos Aires ziehen soll.

Die Regierungschefin hatte es ja nicht für nötig befunden, nach dem Tod des Spitzenermittlers Staatstrauer zu erklären. In ihren zwei einstündigen TV-Ansprachen hatte sie kein Wort des Beileids für Nismans minderjährige Töchter übrig. Die Faschingsferien verbringt sie in ihrem patagonischen Domizil, sie wird noch zwei Tage dranhängen. „Sollen die doch schweigen“, sagte sie vor zwei Tagen im Live-TV zu den Staatsanwälten. „Wir feiern lieber!“ Am Donnerstag wird Cristina Kirchner 62. Es ist ihr letzter Geburtstag im Amt.

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