Die öffentliche Stellungnahme zum Islamgesetz war nicht die, über die zuvor in der Islamischen Glaubensgemeinschaft abgestimmt wurde.
Wie kann es sein, dass der Schurarat der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) am Sonntag dem Islamgesetz zustimmte – obwohl dasselbe Gremium einen fast gleichlautenden Entwurf vor Weihnachten noch rundweg abgelehnt hatte? Nun, das kann damit zusammenhängen, dass die weitgehend positive Stellungnahme, die am Montag auf der Homepage der IGGiÖ veröffentlicht wurde, nicht deckungsgleich ist mit jenem Dokument, über das das Hauptorgan zuvor abgestimmt hatte.
Genau das hat „Die Presse“ von mehreren Mitgliedern des Schurarats erfahren. Amani Abuzahra ist eines davon, das sich auch öffentlich zur Kritik bekennt – sie hat im Schurarat als Einzige gegen den vorgelegten Entwurf einer höflich ablehnenden Stellungnahme gestimmt. „Für mich war die Ablehnung zu schwammig, und darüber hinaus wollte ich keine Stellungnahme freigeben, die noch nicht ausformuliert war.“ Genau das sollte noch nach der Sitzung getan werden. Die anderen Mitglieder des Gremiums – von dem gerade einmal ein Drittel anwesend war – stimmten dem Entwurf zu. Doch die Version, die unter dem Namen von Präsident Fuat Sanaç an die Öffentlichkeit ging, war eine andere. Eine mit einem deutlich positiveren Grundton. „Dass aus einer Ablehnung nach der Sitzung plötzlich eine Zustimmung wurde“, sagt Abuzahra, „bestätigt mich in meiner Position.“
Noch wird hinter vorgehaltener Hand gesprochen, doch fühlen sich Mitglieder und Verbände getäuscht. Und hinter den Kulissen wird darüber diskutiert, wie man reagieren soll. Daran, dass das Gesetz am 25. Februar im Nationalrat beschlossen wird, wird man nichts mehr ändern können, doch in der muslimischen Gemeinde gärt es.
Der Zorn richtet sich primär gegen den IGGiÖ-Präsidenten. In den vergangenen Monaten hat es vor allem vonseiten der Muslimischen Jugend heftige Kritik und Rücktrittsforderungen gegeben. Nach dem jüngsten Vorfall im Schurarat könnten nun auch andere Verbände, die bisher keine oder nur verklausulierte Kritik an Sanaç anbrachten, in die Offensive gehen.
E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19. Februar 2015)