Dürfen auch Handydaten Unbeteiligter abgefragt werden? „Ja, aber...“, sagt der Obersten Gerichtshof.
Wien. Das Thema erinnert an den Wirbel um die Vorratsdatenspeicherung. Dabei ging es darum, Informationen über elektronische Kommunikation, etwa über Ort und Zeit eines Handytelefonats, sechs Monate lang zum Zweck allfälliger strafrechtlicher Verfolgung aufzubewahren. Dieser Zweck rechtfertige eine solche Speicherung bzw. den damit verbundenen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen nicht, sagte der Verfassungsgerichtshof.
Am Donnerstag ging es in einem anderen Höchstgericht, im Obersten Gerichtshof (OGH), zwar um dieselben Daten, aber um eine andere Fragestellung: Dürfen Staatsanwälte auf ebendiese Daten, die von den Handynetzbetreibern ohnedies einige Zeit aufgehoben werden (müssen), zugreifen? „Ja“, sagt der OGH. Sofern Verhältnismäßigkeit gegeben sei.
Um eine Verwechslung mit der Vorratsdaten-Debatte hintanzuhalten, hielt OGH-Richter Hans-Valentin Schroll (Präsident des 12.Senats) für das Publikum fest: „Hier geht es nicht um die Vorratsdatenspeicherung, sondern um Daten, die bei Handynetzbetreibern vorhanden sind.“ Daten, die von den Unternehmen aus Gründen ihrer eigenen Absicherung einige Zeit aufgehoben werden. Beispielsweise um jemandem, der seine Rechnung nicht bezahlt, Mahnungen übermitteln zu können. Wann fallen diese Daten an? Immer, wenn jemand via Mobiltelefon spricht oder ein SMS schickt. Der Handynetzbetreiber registriert dann, wo – nämlich bei welchem Mobilfunkmast – die Betreffenden sind, wie lang sie sprechen, welche Telefonnummer aktiv ist usw.
„18 Uhr, am Stephansplatz“
Das alles kann freilich auch für einen Staatsanwalt interessant sein, der eine Straftat aufklären will. Typischer Fall: Eine Einbruchsserie wird gemeldet. Nun wenden sich die Ermittler (Polizei unter Leitung des Staatsanwalts) an den Handynetzbetreiber und holen sich – mit richterlicher Erlaubnis – alle Handydaten, die nahe den Tatorten und zu den Tatzeiten aufgezeichnet wurden. Es wird eine Funkzellenabfrage („Die Presse“ hat berichtet) getätigt.
Im besten Fall lässt sich der Einbrecher (gleiche Handynummer an allen Tatorten) finden. Freilich landen jede Menge Daten von Unbeteiligten ebenso auf dem Tisch des Staatsanwalts. Das dürfe nicht sein, sagte das Oberlandesgericht Graz in einer konkreten Strafsache. Daraufhin wollte es die beim OGH eingerichtete Generalprokuratur („Wahrerin des Rechts“) genau wissen: Mittels Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes befasste sie den OGH. Ihr Argument: Wenn der Eingriff verhältnismäßig ist, soll er zulässig sein. Es gehe nicht, dass man „um 18Uhr die Funkzelle Stephansplatz“, mit tausenden Menschen, abfrage, um einen Handtaschendiebstahl zu klären. Der OGH sah das auch so. Würden nicht unnötig viele Unbeteiligte ins Visier geraten, sei auch künftig die Auswertung von „Daten einer Nachrichtenübermittlung“ erlaubt.
Fazit: Die Entscheidung gilt zwar als Richtlinie. Sie beseitigt aber nicht den Umstand, dass ein Gericht im Einzelfall prüfen muss, ob Verhältnismäßigkeit vorliegt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2015)