Red Bull enttäuschte beim Saisonstart in Australien schwer, nun klagt Helmut Marko über Motorprobleme, Reglement, Renault und drohte sogar mit dem Ausstieg. Toto Wolff provoziert: „Es gibt da eine Mauer in Jerusalem...“
Melbourne. Mercedes schafft auch mit angezogener Handbremse problemlos Doppelsiege, Red Bull droht nach dem ersten Formel-1-GP der Saison mit dem Ausstieg, bis auf Ferrari genießt der Rest des Feldes ein Statistendasein – das war die Quintessenz des WM-Auftakts 2015 in Australien. War auf der Rennstrecke eher wenig los, verlagerte sich nach dem Grand Prix die Aufmerksamkeit hinter die Kulissen.
Als „Mercules“ betitelte die australische Zeitung „Herald Sun“ die Überlegenheit der Silberpfeile. Nur 15 statt 20 Autos schafften es in die Startaufstellung, elf kamen ins Ziel, mit Ex-Weltmeister Jenson Button im zweifach überrundeten McLaren-Honda als Letztem. Sieger Lewis Hamilton und Nico Rosberg hatten freie Fahrt, Red Bull enttäuschte schwer. Ricciardo wurde Sechster, Kwjat schied aus – umso verwunderlicher ist nun das Wehklagen des gefallenen Serien-Weltmeisters. Einerseits wurde der eigene Motorenlieferant Renault in die Pflicht genommen, weil er erneut nur leere Versprechungen abgab. Motorschäden, angeblich fehlen 100 PS, der teure V6-Hybridantrieb, den auch Honda nicht hinbekommt, sollen an allem schuld sein. Mercedes hat den besten Motor – nun beklagt vor allem Helmut Marko eine Zweiklassengesellschaft in der Formel 1.
Geldgeber Didi Mateschitz könnte, „bei anhaltender Hinterherfahrerei“, durchaus die Lust an der Formel 1 verlieren, sagt Marko drohend. „Das aktuelle Reglement killt den Sport. Die Formel 1 muss das geilste, kräftigste, das schnellste Paket sein.“ Der Zeitpunkt dieser Feststellung irritiert, zudem: Als Red Bull die Formel 1 nach Belieben dominierte, wurde keinerlei Kritik geduldet. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff antwortet daraufhin provokant: „Es gibt da in Jerusalem eine Mauer, vor die du dich stellen kannst und klagen. Vielleicht sollten sie dahin gehen.“ Kosteneinsparungen und andere, lautere Triebwerke werden von Marko verlangt, doch Regeländerungen scheinen vor 2017 nicht möglich. Für 2016 wäre Einstimmigkeit nötig, da ist Mercedes mit drei Kundenteams zu stark.
Red Bull und Renault sind nach den Problemen des Vorjahres zwar enger zusammengerückt, bei den Franzosen fühlt man sich von der forschen Gangart des Steirers aber „überfahren“. Am Mittwoch soll in England Klartext gesprochen werden, der Abschied der Franzosen aus beiden RB-Teams ist nicht ausgeschlossen.
An der aktuellen Zweiklassengesellschaft der Motorsport-Königsklasse trage Mercedes die wenigste Schuld. Das Bild eines Seriensiegers ist in der Formel 1 längst Gewohnheit. Wolff habe diese Entdeckung auch gemacht. In Melbourne gab es keinen Kampf seiner Piloten. Er sagt: „Nach dem Start war es mehr oder weniger entschieden.“ (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2015)