Schwere Krawalle bei EZB-Eröffnung

German police cars set on fire by anti-capitalist protesters burn near the new ECB headquarters in downtown Frankfurt
German police cars set on fire by anti-capitalist protesters burn near the new ECB headquarters in downtown Frankfurt(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
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Anlässlich der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank demonstrierten rund 10.000 Menschen mit beträchtlichem Gewalteinsatz: Schon in der Früh brannten Polizeiautos.

Frankfurt/Berlin. Es sind zwei ineinander verwobene Glastürme direkt am Main-Ufer in Frankfurt, der größere Turm ist 185 Meter hoch, gekostet hat der Neubau rund 1,2Milliarden Euro, die Planung und Errichtung hat über zehn Jahre gedauert, und entworfen hat den Turmbau zu Frankfurt schließlich das Wiener Architektenbüro Coop Himmelb(l)au.

Der Neubau war auch der eigentliche Grund, warum Frankfurt am Mittwoch einen wüsten Krawalltag erlebte: Anlässlich der Einweihung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte das linke Bündnis Blockupy zu einer großen Demonstration gegen die europäische Sparpolitik aufgerufen, aber auch die Grünen, die Linke und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nahmen an den Protesten teil. Bereits in der Nacht auf Mittwoch war es zu den ersten Ausschreitungen gekommen, bis zur Mittagszeit – als EZB-Präsident Mario Draghi den Neubau eröffnete – brannten sieben Polizeiautos sowie zahlreiche Mülltonnen; Demonstranten hatten an verschiedenen Standorten Barrikaden errichtet, die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Insgesamt schienen die Beamten vom Ausmaß der Gewalt überrascht worden zu sein, wiewohl schon im Vorfeld von einem schwierigen Einsatz die Rede war: So war auch schon voriges Wochenende die Umgebung des Neubaus gesichert worden.

„Intellektuelle Fehlleistung“

Per Twitter hat die Frankfurter Polizei ein Video verbreitet, das zeigt, wie das Gebäude von Vermummten mit Gegenständen beworfen wird, während Rauch aus Polizeiautos steigt. Überhaupt wurden über soziale Medien Bilder verbreitet, die Rauchsäulen über der Stadt zeigen – und Aufnahmen, die die Verhaftungen von teilweise blutenden Demonstranten festhalten.

Bis zum späten Nachmittag war von über 500 Festgenommenen die Rede, viele weitere Demonstranten wurden eingekesselt und ihre Personalien aufgenommen. Bei den Krawallen wurden etwa 90 Polizisten und Dutzende Demonstranten verletzt.

Von der Gewalt hat sich das Blockupy-Bündnis bei einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag– halbherzig – distanziert: Ulrich Wilken vom Bündnis hat angegeben, dass er sich den Vormittag „ganz anders gewünscht“ habe; es könne nicht sein, dass Feuerwehr und Polizei angegriffen würden. Für die Wut der Demonstranten zeigte Wilken aber Verständnis – wie im Übrigen auch Draghi, der eine Forderung der Demonstranten aufgriff und für eine gerechte Umverteilung in den Euroländern plädierte.

Deutlichere Worte kamen hingegen von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der von einer „intellektuellen Fehlleistung“ der (gewaltbereiten) Demonstranten sprach. Scharf kritisiert wurde unterdessen ein Angriff von Demonstranten ausgerechnet auf ein Kolpingwerk, in dem Flüchtlinge untergebracht sind: Der Eingang wurde mit Pflastersteinen demoliert.

Das Gros der Protestteilnehmer in Frankfurt war allerdings friedlich. Die vom DGB angeführte Kundgebung zum Römer in der Innenstadt verlief am Nachmittag weitgehend ohne Zwischenfälle, rund 10.000 Menschen nahmen am Marsch teil. Die Demonstranten trugen Guy-Fawkes-Masken, verkleideten sich als Clowns, einer verzichtete ganz auf Kleidung und lief nackt mit. Persifliert wurde auch der viel zitierte Stinkefinger des griechischen Finanzministers, Yanis Varoufakis (in einem Video ist zu sehen, wie Varoufakis bei einer Rede, in der er gegen Deutschland wettert, den Mittelfinger hochhält – er selbst sagt, das Video sei eine Fälschung).

Bewegliche Kleinstgruppen

„Es ist uns gelungen, die Einweihungsfeier zu einer Randerscheinung zu machen“ – die Aussage von Ulrich Wilken traf für den chaotischen Mittwoch in Frankfurt jedenfalls zu. Dass die Polizei teilweise unbeholfen wirkte, dürfte auch mit den gut organisierten Demonstrationszügen zusammenhängen: Die Masse teilte sich in fünf Gruppen auf, die unterschiedliche Pfade einschlugen. Dort wiederum teilten sie sich in beweglichere Kleinstgruppen auf.

Die Proteste in Frankfurt dürfte vor allem die bayerische Polizei mit Interesse verfolgt haben: In Elmau bei Garmisch findet ab dem 5.Juni das G7-Treffen statt – auch dort werden Demonstrationen erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)

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