Bulc: „Europaweite Maut soll Kosten für Autofahrer senken“

PKW-Maut
PKW-Maut(c) APA/dpa-Zentralbild/Jens B�ttner (Jens B�ttner)
  • Drucken

EU-Verkehrskommissarin Bulc warnt Deutschland vor einer diskriminierenden Mautregelung und sieht gute Chancen, dass der Brennertunnel finanziell unterstützt wird.

Die Presse: Deutschland plant die Einführung einer Straßenmaut, die Bürger aus anderen EU-Staaten bezahlen müssen. Können Sie das akzeptieren?

Violeta Bulc: Jedenfalls darf eine solche Maut nicht Bürger aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligen. Wir stehen in engem Kontakt mit dem deutschen Verkehrsminister Dobrindt. Und wir erinnern ihn daran, dass ein solches System nicht diskriminierend sein darf. Allerdings ist es nun Sache des Deutschen Bundestags, ob er das Gesetz annimmt und in welcher Form.


Wenn Inländer die Maut über Steuererleichterungen zurückerhalten, Ausländer nicht: Ist das diskriminierend?

Wir haben noch nicht die Informationen, wie das konkret realisiert werden soll. Deshalb kann ich das noch nicht beurteilen. Aber ich denke, es wird letztlich eine vertragskonforme Lösung geben.

Wird es langfristig ein einheitliches Mautsystem in Europa geben?

Ja, das ist mein Ziel. Ähnlich wie bei der mobilen Kommunikation brauchen wir gemeinsame Standards, damit wir uns grenzüberschreitend bewegen können, ohne dass die Windschutzscheibe voll mit verschiedenen Vignetten ist oder wir bei Mautstellen ständig stehenbleiben müssen. Wir wollen nächstes Jahr im Spätsommer erste Vorschläge dazu machen. Und ich hoffe, dass ich noch innerhalb meines Mandats (bis 2019, Anm.) durch Europa reisen kann, ohne stehenzubleiben.

Dieses Mautsystem soll ein kilometerabhängiges werden?

Ja. Und jedes Land soll die Freiheit haben, ein Mautsystem einzuführen oder auch nicht.

Wird das für die Bevölkerung teurer werden als bisher?

Nein, ich gehe nicht davon aus, dass es für die Autofahrer teurer werden wird. Vielmehr sollten wir die Kosten senken. In jedem Fall sollte die Mauthöhe ausreichend begründet werden.

Sie haben am Spatenstich für den Hauptstollen des Brenner-Basistunnels teilgenommen. Österreich wird bis 2019 insgesamt 1,8 Milliarden Euro in dieses Projekt investieren. Wird auch die EU Kosten übernehmen?

Das ist wie bei allen derartigen Großprojekten: Es ist eine Kombination mehrerer Finanzinstrumente möglich. Bis Anfang dieses Monats konnten die Mitgliedstaaten Projekte für den ersten Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen der Connecting Europe Facility einreichen. Wir sind dabei, die Eingaben zu sichten und gehen davon aus, dass Österreich den Brenner-Basistunnel als Projekt eingereicht hat. Im Sommer wird es die Entscheidung geben, welche Projekte eine Ko-Finanzierung erwarten dürfen. Der Brennertunnel gehört zweifellos zu den Projekten, die eine gute Chance haben. Das Brennerprojekt verbindet drei Länder – Italien, Österreich und Deutschland – und ist auch für den Frachtverkehr von Bedeutung.

Österreich hat derzeit zahlreiche Tunnelprojekte: Brenner-, Koralm-, Semmering-, Karawankentunnel. EU-Kommissionspräsident Juncker hat bei der Präsentation seines Investitionsfonds erklärt, er möchte damit nicht schon wieder Tunnel finanzieren. Sind Tunnel keine wichtigen Infrastrukturprojekte mehr?

Der Fonds wird anders funktionieren. Hier werden private Investoren die Entscheidungen treffen. Wenn sie einen solchen Tunnel für geeignet halten und finanzieren wollen, kann es auch die Hilfe durch den Fonds geben. Das Einzige, woran mir sehr gelegen ist, ist, dass ich mich bemühe, dass so viele Verkehrsprojekte wie möglich aus dem Investitionsfonds unterstützt werden.

Der Fonds hat das Ziel, nachhaltige Projekte zu unterstützen. Ist die Straße nachhaltig oder doch eher die Schiene?

Wir brauchen eine Balance aus verschiedenen Verkehrsverbindungen. Die beste Option im Sinne des Klimaschutzes ist die Schiene, aber auch die Binnenschifffahrt. Diese beiden Bereiche müssen allerdings auch wettbewerbsfähig werden.

Warum ist die Bahn nicht wettbewerbsfähig?

Die Mitgliedstaaten haben in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig in die Infrastruktur der Bahn investiert, das ist ein wesentlicher Grund. Die Wirtschaft bräuchte ein besseres Angebot, aber auch junge Menschen, die gern reisen, würden ein gutes Angebot nutzen. Wir haben deshalb einen neuen Anlauf genommen, die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb bei der Bahn zu ermöglichen.

ZUR PERSON

Violeta Bulc ist seit vergangenem Jahr EU-Verkehrskommissarin. Die Slowenin war zuvor Vizeregierungschefin und Entwicklungsministerin in ihrer Heimat. Die ehemalige Unternehmerin (Vibacom, House for Business Solutions) hat Elektrotechnik in Laibach und an der Golden Gate University San Francisco studiert. Bulc wurde Kandidatin für die EU-Kommission, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass die zuvor nominierte Slowenin, Alenka Bratušeks, von einer Mehrheit der EU-Abgeordneten abgelehnt worden wäre. Die 53-jährige Politikerin war in ihrer Vergangenheit auch sportlich aktiv. Sie lernte Taekwondo und war zu Beginn der 1980er-Jahre Mitglied der Basketballnationalmannschaft Jugoslawiens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

Deutsche Maut verstößt gegen EU-Recht

Ein Gutachten der EU-Kommission sieht einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung von Bürgern aus anderen EU-Ländern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.