Weltmaschine LHC hat wieder Startprobleme

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Der größte Teilchenbeschleuniger wurde vor Wiederinbetriebnahme durch Kurzschluss lahmgelegt.

Déjà-vu: Als der weltgrößte Teilchenbeschleuniger – der LHC bei CERN in Grenoble – mit seinem 27-Kilometer-Ring 2008 seine Arbeit aufnehmen sollte, brach erst einmal alles zusammen, durch einen Konstruktionsfehler wurden Teile der Anlage so schwer beschädigt, dass ein Jahr lang aufgeräumt werden musste. Als es dann doch losging, setzte man alle Hoffnungen auf die Entdeckung des Higgs-Bosons, die CERN-PR nannte es „Gottesteilchen“ – das gehört zum Geschäft –, 2012 wurde es nachgewiesen, 2013 bekamen die, die es Jahrzehnte zuvor postuliert hatten, den Nobelpreis. Dann stand der LHC zwei Jahre, er wurde umgerüstet, um Teilchen mit 60 Prozent mehr Energie aufeinanderzuschießen – 13 Teraelektronenvolt statt acht –, diese Woche hätte es losgehen sollen. Dazwischen kam ein Kurzschluss, verursacht durch ein Metallteilchen an einem der Magneten, die die Bahnen der verschossenen Teilchen lenken. Das ist nicht so dramatisch wie 2008, ein paar Wochen wird es dauern, der Magnet war herabgekühlt auf fast absolut null – 1,9 Kelvin, minus 271,25 Celsius –, er muss erwärmt werden. „Das macht uns keine Sorgen“, reagierte CERN-Chef Rolf Heuer: „Wenn das alles ist, was passiert, sind wir sehr glücklich. In der großen Perspektive sind ein paar Wochen Verzögerung beim Versuch der Menschheit, das Universum zu verstehen, nicht mehr als ein Wimpernschlag.“

Aufbruch in das dunkle Universum

Darum geht es nun also, um das Universum. Natürlich ist man auch hinter Bescheidenerem her, das Higgs-Boson soll näher charakterisiert werden. Aber mit dem war das Standardmodell komplett. Das allerdings beschreibt ganze fünf Prozent der Materie, vom Rest wissen wir nichts, es ist dunkle Materie und dunkle Energie: „Vielleicht gelingt uns der Aufbruch in das dunkle Universum“, hofft Heuer, vielleicht finden sich auch Spuren der seit Jahrzehnten umstrittenen Supersymmetrie, die in der einfachsten Variante für jedes bekannte Teilchen einen größeren Gegenpart postuliert. Vielleicht finden sich auch Hinweise darauf, warum es überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr nichts: Gleich nach dem Urknall hätten Materie und Antimaterie einander auslöschen sollen, aus irgendeinem Grund blieb die Materie, auch hinter diesem Rätsel ist der LHC her. Schließlich sollen die neuen Energien auch ausreichen, die Bedingungen kurz nach dem Urknall zu simulieren. „Versprechen können wir nichts“, dämpft Fabiola Gianota, ab 2016 CERN-Chefin, die Erwartungen: „Alles ist in der Hand der Natur.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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