„Cake“: Risikoarme Hollywood-Therapie

Cake
Cake(C) Warner
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Jennifer Aniston spielt in „Cake“ eine Schmerzpatientin. Doch dieser Therapiefilm hilft hauptsächlich ihr, ins – vorgeblich – seriöse Fach zu wechseln. Ab Freitag im Kino.

Claire geht es nicht gut. Die gut betuchte Mittvierzigerin (Jennifer Aniston) leidet seit einem traumatischen Unfall unter chronischen Schmerzen physischer und psychischer Natur, die es ihr unmöglich machen, ein normales Leben zu führen. Ächzend und stöhnend schleppt sie sich durch ihr einsames Dasein, nur ihre fürsorgliche Haushälterin Silvana (Adriana Barraza) steht ihr zur Seite und kutschiert die depressive Arbeitgeberin im stets zurückgeklappten Beifahrersitz zu Therapiesitzungen und Ärzten – oder über die Grenze nach Tijuana, wenn es mal wieder an rezeptpflichtigen Medikamenten mangelt.

Claires Zustand stagniert, Hilfe blockt sie ab. Nach zynischen Bemerkungen wird sie sogar für ihre Selbsthilfegruppe untragbar, beginnt sich aber für ein ehemaliges Mitglied zu interessieren: Nina Collins (Anna Kendrick) stürzte sich von einem Autobahnkreuz in den Tod und hinterließ ihren schockierten Mann (Sam Worthington) und einen kleinen Sohn. Claire tritt nun unvermittelt in deren Traueralltag; ihre Absichten sind ihr anfangs selbst nicht klar, doch langsam bahnt sich eine heilsame Beziehung zwischen den Versehrten an.

„Cake“, die vierte Regiearbeit von Daniel Barnz (unter anderem verantwortlich für den unsäglichen „Twilight“-Klon „Beastly“), ist ein Therapiefilm. Sein Kunstanspruch ist minimal – es geht um eine Genesungsgeschichte zum Nachfühlen und Seelenbalsamieren, Risken und Nebenwirkungen sollen möglichst vermieden werden. Hollywood hat diese Formel (mit Frauen als Primärzielgruppe) schon länger patentiert. Dabei hat „Cake“ zumindest eine Hauptdarstellerin mit noch weitestgehend unerschlossenem Potential im dramatischen Kontext: Jennifer Aniston, bekannt als Rachel aus der Kultserie „Friends“, war nach deren Ende hauptsächlich auf romantische Komödien abonniert, in denen sie (oft an der Seite von Paul Rudd) mit nonchalantem Naturell und bissigem Humor punktete. Davon finden sich auch in „Cake“ noch Spurenelemente. Wenn Claire Distanz will, frotzelt sie ihre Umgebung gewitzt – ein Abwehrmechanismus, der ihre tiefen emotionalen Wunden nur notdürftig kaschiert, aber der therapeutischen Zwangsverordnung von Good Vibrations effektiv ein Schnippchen schlägt.

Sex mit dem Gärtner, Pillen mit Wein

Ansonsten bietet der Film Aniston eine typische Übergangsrolle, die einen Wechsel vom vorgeblich seichten ins vorgeblich seriöse Fach markiert, aber auch eine demonstrative Konfrontation des eigenen Alters als Schauspielerin darstellt. Auf abgeschminkt geschminkt, mit strähnigem Haar und Unfallnarben am abgewrackten Körper gibt sie sich jede Blöße. Nachts lässt sie sich im Pool treiben und hat lieblosen Sex mit ihrem Gärtner, tagsüber spült sie im ganzen Haus versteckte Pillen mit Weißwein hinunter. Leider wird die initiale Sperrigkeit der Figur schon bald der schablonenhaften Besserungsstory geopfert, bei der Hindernisse überwunden und Rückfälle gebremst werden auf dem Weg in die stabile Seitenlage oder zumindest die Geborgenheit eines neuen Familienidylls, mit dem australischen Bartstoppel-Feschak Sam Worthington als Lockvogel.

Wabernde Ambient-Musik

Die geschmacksneutrale TV-Ästhetik tut ihr Übriges, um „Cake“ ins Reich der Beliebigkeit zu bannen. Im inszenatorischen Einerlei fallen halbgare stilistische Schnörkel (etwa die periodischen Auftritte Anna Kendricks als tückisch grinsende Suizidkobold-Halluzination) völlig flach. Interessant ist allenfalls, wie das Drama sich mit der Figur der mexikanischen Haushälterin gegen „White guilt“ abzusichern versucht: Ihr zugleich weiser, kritischer und verständnisvoller Charakter federt potenzielle Schuldgefühle ab, reiche Weiße in den Suburbs von Los Angeles bei der Nabelschau zu beobachten.

Auch die wabernde Ambient-Musik von Christophe Beck wirkt wie ein Beruhigungsmittel. So gesehen passt es ins Gesamtkonzept, dass die Details von Claires Trauma bis auf ein paar erratische Flashbacks und einen besorgten Besuch ihres Ex-Mannes schonend im Dunkeln bleiben. Zu stellen hat man sich der Gegenwart, nicht der Vergangenheit, und am Schluss renkt sich – auf Geheiß der offenkundigen Drehbuch-Metaphorik – ohnehin alles wieder ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2015)

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