Deutschland zieht Österreich davon

Euro-Statue in Frankfurt
Euro-Statue in FrankfurtReuters
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In Deutschland könnte die Wirtschaft heuer noch stärker wachsen, als bis vor Kurzem noch erwartet: Experten korrigieren ihre Prognosen und halten zwei Prozent Wachstum für durchaus möglich.

Berlin. In der Eurozone stehen die Zeichen auf Aufschwung. Diese Frohbotschaft wurde schon vor wenigen Wochen verkündet – als die Europäische Zentralbank (EZB) die Prognose für das diesjährige Wirtschaftswachstum von 1,0 auf 1,5 Prozent anhob. Damals schon zeigte sich, dass die Reformen in Spanien, Portugal und Irland Früchte tragen – diese Krisenländer hatten dem Wachstum in der Eurozone arg zugesetzt. Dazu kamen noch der sinkende Rohölpreis und der schwache Euro – allesamt Faktoren, die dazu angetan sind, der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung mit einer guten Portion Zuversicht entgegenzublicken.

Und die ist offenbar auch durchaus angebracht. Denn Deutschland, die wichtigste Volkswirtschaft Europas, kommt konjunkturell ordentlich auf Touren. Gestern, Sonntag, wurde verlautbart, dass die deutsche Industrie die Aussichten für die Wirtschaft inzwischen optimistischer einschätzt als noch zu Jahresbeginn. „Wir erwarten in diesem Jahr einen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von rund zwei Prozent“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, dem deutschen „Handelsblatt“.

Im Jänner hat der BDI noch ein Wachstum von 1,5 Prozent prognostiziert. Binnen weniger Monate hat sich die Situation also nochmals positiv entwickelt. Und mit der nun optimistischeren Prognose steht der BDI auch nicht allein da: Etliche Experten haben bereits ihre Prognosen für Europas größte Volkswirtschaft merklich angehoben und halten ein Plus von bis zu zwei Prozent für möglich. 2014 ist die deutsche Wirtschaft nach einem kräftigen Endspurt um 1,6 Prozent gewachsen.

Tatsächlich stützen mehrere Faktoren den Optimismus: So wirken der Einbruch des Ölpreises und der niedrige Euro wie ein Konjunkturpaket für die Wirtschaft. Vor allem günstiges Tanken und Heizen lässt den Verbrauchern Spielraum für zusätzliche Ausgaben. Die Stimmung der Konsumenten ist nach Berechnungen der GfK-Marktforscher derzeit so gut wie seit 13 Jahren nicht mehr. Viele Unternehmen werden auf der Kostenseite entlastet – ihnen kommt außerdem der billige Euro zugute, weil er Exporte nach Übersee günstiger macht.

Erfreulicher Arbeitsmarkt

Das wiederum trägt dazu bei, dass die Zahl der Arbeitslosen sinkt: Im März waren in Deutschland 2,93 Millionen Menschen ohne Arbeit, das ist die geringste Arbeitslosigkeit in einem März seit 1991. 2015 dürfte es in Deutschland einen Beschäftigungsrekord geben. Und zuversichtlich für die deutsche Wirtschaft stimmt auch die Tatsache, dass es in vielen ehemaligen Krisenstaaten (vor allem in Irland und in Spanien) wieder bergauf geht. Auch davon kann Deutschland als Exportnation profitieren.

Ein Risiko stellen hingegen die Krisen in Griechenland und Russland dar. Wegen der Sanktionen gegen Russland brechen deutsche Exporte weg. Ein Eskalieren der Griechenland-Krise mit einem Ausstieg aus dem Euro könnte wiederum für Turbulenzen auf den Finanzmärkten sorgen.

Auch das Schwächeln der für Deutschland wichtigen Absatzmärkte USA und China ist für die Wirtschaft unseres Nachbarlandes eine offene Flanke. Außerdem warnen Experten, dass die Investitionen in Deutschland trotz niedriger Zinsen kaum in die Gänge kommen. Konzerne halten sich offenbar wegen geopolitischer Risken mit Ausgaben eher zurück. „Die Investitionen dürften nur moderat zulegen“, sagt der Konjunkturchef des Berliner DIW-Instituts, Ferdinand Fichtner.

Österreich bleibt problematisch

Die dennoch optimistische Sicht auf die deutsche Wirtschaft trifft allerdings auf Österreich nicht zu. Als die EZB unlängst ihre Wachstumsprognose veröffentlichte, belegte Österreich den viertletzten Platz. Mitte März prophezeiten die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS Österreich für heuer ein Wachstum von 0,5 beziehungsweise 0,8 Prozent. Österreich sei „von der Überholspur auf die Kriechspur gewechselt und werde heuer und 2016 schwächer wachsen als Europa“, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger. Gehe kein „Reformruck“ durch das Land, dann könnte das auch noch länger der Fall sein. (red./ag.)

In Kürze

Deutschland könnte heuer ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent erreichen. Zu Jahresbeginn sind noch 1,5 Prozent prognostiziert worden. Für Österreich lautet die Prognose hingegen 0,5 bis 0,8 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2015)

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