Wiederbelebter geschwächter ÖGB-Riese

�GB-KONGRESS: FOGLAR
�GB-KONGRESS: FOGLAR(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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In der SPÖ erlebt der Gewerkschaftsbund 70 Jahre nach seiner Gründung seine x-te Blüte. Insgesamt ist die Lage des ÖGB freilich nicht so rosig: Der Erosionsprozess hält an, an internationaler Konzernmacht zerschellt er.

Wien. So zufriedene Gesichter, wie bei dem Festakt heute, Mittwochnachmittag, zu erwarten sind, waren im Gewerkschaftsbund (ÖGB) schon lange nicht mehr zu sehen. Für den seit Dezember 2008 im Amt befindlichen ÖGB-Präsidenten Erich Foglar ist es ein wahrer Feiertag. Dem Steuerpaket, das Arbeitnehmern ab 2016 eine Entlastung von knapp fünf Milliarden Euro bringt, haben die Gewerkschafter ihren Stempel fest aufgedrückt. In der Kanzlerpartei SPÖ ist der Einfluss der roten Arbeitnehmervertreter so groß wie seit vier Jahrzehnten unter Langzeitpräsident Anton Benya in der Kreisky-Ära nicht mehr.

Einer, der die Geschicke des ÖGB ab 1987 maßgeblich mitbestimmt hat, wird nach Informationen der Gewerkschaftszentrale heute nicht mitfeiern: Fritz Verzetnitsch.

Damit fehlt die Zentralfigur der schwersten Krise, die den Gewerkschaftsriesen ins Wanken brachte. Der Benya-Ziehsohn war Ende März 2006 über eine 2000 gegebene Bürgschaft zur Rettung der damaligen Gewerkschaftsbank Bawag nach spekulativen Karibik-Geschäften gestolpert. Seinen Nachfolgern – dem nunmehrigen Sozialminister, Rudolf Hundstorfer, der Verzetnitsch Ende April 2006 entlassen hat, und Foglar, der die Tradition der stabilen Sozialpartnerachse zur Wirtschaft in der Zweiten Republik fortsetzt – bleibt die direkte Konfrontation mit dem dunklen Kapitel erspart.

Die Mission des ÖGB sei „soziale Gerechtigkeit“: Foglar wird seine Worte von der 65-Jahr-Feier nur in Nuancen abwandeln. Der Dank des Festredners Bundespräsident Heinz Fischer, der seit weit mehr als 50 Jahren Gewerkschaftsmitglied ist, wird auch diesmal wie vor fünf Jahren von Herzen kommen. Er wird den Kampf um Menschenwürde, Demokratie und besonders das Eintreten für Gerechtigkeit würdigen.

Wenn der Riese ÖGB die Kräfte seiner rund 1,2 Millionen Mitglieder bündelt, ist er in der von SPÖ und ÖVP dominierten kleinen innenpolitischen Welt wieder und noch immer ein Machtfaktor. Aber hinter der modernen Glasfassade der ÖGB-Zentrale an der Donau bei der Südosttangente sind Schwächesymptome dennoch unübersehbar. Mindestens ein Viertel der Mitglieder der Arbeitnehmervertretung sind Pensionisten. Bei den Dienstnehmern selbst konnte der Aderlass seit der Blüte Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts nach dem Niedergang der verstaatlichten Industrie mit schier allmächtigen Betriebsräten wie Franz Ruhaltinger in der Voest nicht gestoppt werden.

Macht schwindet im ureigensten Bereich

Was schwerer wiegt: Die Macht des ÖGB abseits des Einflusses auf die SPÖ und die Gesetzgebung schwindet im ureigensten Bereich. Der Abschluss von Lohn- und Kollektivverträgen wird ausgehöhlt, indem Unternehmen ihre Belegschaft vor die Alternative stellen: zusperren oder billiger arbeiten. Erkämpfte Sozialrechte werden mit (Schein)Selbstständigkeit umgangen. Gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen durch internationale Konzerne ins Ausland bewirken Demonstrationen wenig. So fürchtet sich nur die Regierung als Dienstgeber vor der gut aufgestellten Beamtengewerkschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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