70. Geburtstag: Lehrer holen SPÖ in Gegenwart zurück

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PK 70. JAHRESTAG DER WIEDERGR�NDUNG DER SP�: FAYMANN/H�UPL(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Im Wiener Rathaus beging die SPÖ am Dienstag ihren 70.Geburtstag – überschattet von den Querelen um eine längere Unterrichtsverpflichtung für Lehrer.

Wien. „70 Highlights aus 70 Jahren SPÖ“ – diese Unterlage lag gestern im Roten Salon des Wiener Rathauses auf. Dort, wo am 14. April 1945 die SPÖ gegründet wurde. Oder genauer gesagt: neu gegründet. Die Vorgängerpartei, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) war unter dem christlich-sozialen Kanzler Engelbert Dollfuß verboten worden, ein Teil schloss sich daraufhin in der Illegalität zu den Revolutionären Sozialisten (RS) zusammen. Um die beiden Gruppen nach Kriegsende wieder zusammenzuführen, einigte man sich auch namentlich auf einen Kompromiss: Die neugegründete Partei hieß nun Sozialistische Partei Österreichs.

70 Highlights aus 70 Jahren SPÖ: von 1. Sozialer Wohnbau (seit 1945) über 11. Homosexualität zwischen Erwachsenen wird legalisiert (1971) und 25. 40-Stunden-Woche (1975) bis 45. Einführung des Pflegegeldes (1993). Die Leistungsbilanz endet allerdings 1997 und wird erst 2008 mit 49. Bewältigung der Weltwirtschaftskrise wieder fortgesetzt. Das ist einerseits verständlich, lagen dazwischen doch die Regierungsjahre der schwarz-blau/orangen Regierung Schüssel. Allerdings: Es lagen auch die Regierungsjahre von Viktor Klima und Alfred Gusenbauer am Anfang und am Ende dieser Zeitspanne. Und beide waren Sozialdemokraten.

(C) DiePresse

Im Roten Salon des Rathauses hatten dann auch Parteichef Werner Faymann, neuerdings deutlich erschlankt, und Wiens Bürgermeister Michael Häupl Aufstellung genommen, um die große Vergangenheit der Partei zu rühmen und an die Zeit vor 70 Jahren zu erinnern. „Adolf Schärf hat damals gesagt: Die alte sozialdemokratische Partei ist niemals untergegangen, sie wurde verboten und ihrer gesetzlichen Vertreter beraubt, aber sie lebte weiter“, sprach Faymann. Die Gründer der Partei seien ein Beispiel an Tatkraft gewesen. Deren Erbe verpflichte dazu, das nicht über Bord zu werfen, was in Jahrzehnten aufgebaut worden sei: den Wohlfahrtsstaat. Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit bleibe weiterhin auf der Agenda der SPÖ. Eine Privatisierung der Wasserversorgung oder der Gemeindebauten werde man niemals zulassen. „Und Armut und Verelendung breiter Teile der Bevölkerung dürfen wir nicht hinnehmen“, assistierte Häupl.

Dann wurden er und Faymann von der Realität eingeholt: Ein Journalist wollte wissen, wie es denn eigentlich zu den sozialdemokratischen Ansprüchen passe, dass die Lehrer nun zwei Stunden länger arbeiten müssten. Faymann konterte: Sie müssten ja nicht zwei Stunden länger arbeiten, sondern nur zwei Stunden mehr unterrichten. Und Michael Häupl fügte keck hinzu: „Würde ich nur 22 Stunden pro Woche arbeiten, wäre ich Dienstag zu Mittag fertig.“

Zuvor hatte sich Faymann im Ministerrat dazu bekannt, dass es auch der Wunsch der SPÖ sei, die Unterrichtsverpflichtung um zwei Stunden zu erhöhen – zur Einhaltung des Budgetpfads. Dies muss nun aber erst mit der Gewerkschaft ausverhandelt werden.

Häupls Abrechnung mit Busek

Michael Häupl nützte die Gelegenheit dann noch für eine Abrechnung mit Erhard Busek: Der Vorsitzende des Uni-Rats der Med-Uni Wien hatte beklagt, dass einer der Kandidaten für den Rektorsposten, der Jurist Michael Stampfer, ein Freund des Bürgermeisters sei. „Extrem erbärmlich“, nannte Häupl diese Aussage. Zudem hatte Busek kritisiert, dass das Privatspital Confraternität vom achten Bezirk auf ein Grundstück des AKH übersiedeln soll, damit im achten Bezirk Gemeindewohnungen errichtet werden können, was der SPÖ bei Wahlen zugute kommen könnte. Häupl dazu: „Wer glaubt, mit Sozialwohnungen Wahlergebnisse umdrehen zu können, ist wirklich von vorgestern.“

Am Abend begingen die Genossen dann in vergleichsweise kleinem Rahmen in der Volkshalle des Rathauses mit einem Festakt offiziell den „70. Wiedergeburtstag“ (Häupl). In einer überraschend kraftvollen Rede kritisierte SPÖ-Chef Faymann, dass Erbschaften und Wertschöpfungen bei der Finanzierung des Sozialstaates, dem „Vermögen des kleinen Mannes“ wie ihn Helmut Schmidt einmal genannt habe, ausgeklammert würden. Der ehemalige Innenminister Erwin Lanc, ein Exponent des linken Flügels der SPÖ, erzählte über die Gründungstage der Zweiten Republik und schloss mit den Worten: „In Österreich gibt es nur dann Demokratie, wenn es die Sozialdemokratie gibt“. Mit dem „Lied der Arbeit“ und der „Internationalen“ endete die Wiedergeburtstagsfeier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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