G36: Ein Sturmgewehr im Kreuzfeuer der Kritik

"Das G36 ist die Standardwaffe der Bundeswehr. Jeder Soldat wird an diesem vollautomatischen Sturmgewehr ausgebildet", heißt es auf der Website der Deutschen Bundeswehr.Bundeswehr.de
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Seit 20 Jahren produziert die deutsche Waffenschmiede Heckler & Koch das G36-Gewehr. Jetzt sieht sie sich plötzlich mit massiven Vorwürfen aus dem Verteidigungsministerium konfrontiert.

Seit zwanzig Jahren sind G36-Gewehre der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch weltweit im Einsatz. Erst im Vorjahr hat die Deutsche Bundeswehr den Kurden im Irak 8000 G36-Gewehre für ihren Kampf gegen die IS-Terrormiliz geschenkt. Und die Kämpfer haben sie dankbar angenommen. "Die Waffe ist super", sagte der Peschmerga-Minister Mustafa Zayid Kadir gegenüber Journalisten. "Sie funktioniert einwandfrei. Wir hätten gerne mehr davon".

Aber manchmal gehen die Meinungen eben weit auseinander. Und so heißt es in einem aufsehenerregenden Bericht des deutschen Verteidigungsministeriums: "Die Waffe ist für den Einsatz nur eingeschränkt tauglich und daher nicht in vollem Umfang einsatzreif". Die Untersuchung attestiert dem G36 schwere Mängel. Und schon zuvor hat die Bundeswehr massive Probleme eingeräumt. Der Grund für die Kritik: Die Treffsicherheit lasse bei hohen Außentemperaturen sowie bei der Hitzeentwicklung durch intensives Schießen stark nach. 

Die Opposition schäumt, der Druck auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) steigt. Jetzt erwägt sie bereits, alle 167.000 Gewehre der Bundeswehr auszumustern. Dabei wurden offenbar noch im Mai 2014 Tausende neue Gewehre angeschafft. In den kommenden Wochen will von der Leyen eine Entscheidung treffen.

Hersteller: "100 Prozent einsatzfähig"

Angesichts der Kritik wagt sich erstmals der Hersteller aus der Deckung und setzt sich öffentlich zur Wehr. "Es kann einfach nicht sein, dass nun nach zwanzig Jahren entdeckt wird: Das Gewehr taugt nichts", sagte Andreas Heeschen, Eigentümer von Heckler & Koch, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Was wir herstellen, ist zu 100 Prozent einsatzfähig."

Das G36 sei eben ein Standard-Sturmgewehr und kein leichtes Maschinengewehr. "Wer als Single ein Cabrio kauft und dann jahrelang damit fährt, kann sich doch nicht nach Hochzeit und vier Kindern plötzlich beim Hersteller beschweren und sagen: 'Das ist ein Mist-Auto, wir passen da nicht rein'."

Maschinengewehr nicht angeschafft

Dennoch wurde das G36 beim Afghanistaneinsatz der Bundeswehr offenbar immer wieder in Einsätzen mit Dauerfeuer benützt. Die Beschaffung des Maschinengewehrs MG36 war Medienberichten zufolge zwar geplant, wurde aber aus noch unerfindlichen Gründen verworfen. Das bestätigt unter anderem Oberfeldwebel Dirk G. im Gespräch mit der "ARD"-Tagesschau. Die Kritik am G36 selbst hält er für völlig überzogen: "Wer ein Sturmgewehr wie ein Maschinengewehr für Dauerfeuer einsetzt oder um den Feind niederzuhalten, also in Schach zu halten, muss sich nicht wundern, wenn der Lauf glühend heiß läuft und sich verzieht, so dass die Schüsse nicht mehr präzise treffen".

Dass das Präzisionsproblem - wie im Bericht des Verteidigungministeriums vorgeschlagen - mit einer Änderung des Kunststoff-Gehäusewerkstoffs behoben werden kann, glaubt Hersteller Heckler & Koch jedenfalls nicht: Er verweist auf Untersuchungen, wonach der größere Streukreis der Waffe im heiß geschossenen Zustand auf einer mangelhaften Zinnbeschichtung bei einer bestimmten Munition beruht. 

Hersteller denkt über rechtliche Schritte nach

Gegenüber der "Welt" kritisierte Firmenchef Heeschen, dass der Firma nicht einmal die Untersuchungsberichte der G36 zugeschickt wurden. Heckler & Koch fordert die "uneingeschränkte Veröffentlichung" der Berichte und behält sich laut Firmenchef Heeschen auch rechtliche Schritte vor. Der Vorwurf: Rufschädigung. "Rund 50 Länder sind zufrieden mit dem G36, zumindest sind mir keine Beschwerden bekannt".

>>> Bericht auf "Welt.de"

>>> Bericht auf "FAZ.net"

>>> Bericht auf "Tagesschau.de"

(sk/APA)

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