Jüngster Firmenchef: Ich bin kein Kind, ich bin der Boss

Suhas Gopinath
Suhas Gopinath(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Suhas Gopinath ist der jüngste Firmenchef der Welt. Mit 14 gründete er, gegen alle Widerstände, ein IT-Unternehmen. Heute ist er 22, beschäftigt 350 Software-Ingenieure und diskutiert als „Young Global Leader“ mit Bill Gates, Indiens Premier und dem Weltbank-Chef.

Die Damen am Empfang sind nervös und verwirrt. Wir sind nicht irgendwo, wir sind im Hauptquartier der Weltbank in Washington. Und da kommt so ein indischer Dreikäsehoch und will mit dem Präsidenten sprechen. Ja, ein Termin mit einem gewissen Suhas Gopinath ist eingetragen. Aber wir haben einen Firmenchef erwartet und kein Kind. Der Reisepass als Beweis? Der könnte ja gefälscht sein, wer kann das schon wissen.

Der junge Mann bleibt geduldig, lächelt, führt ein klärendes Telefonat. Szenen wie diese ist Suhas gewohnt, seit er 14 ist. Damals, vor acht Jahren, gründete der Internetfreak, allen Widerständen zum Trotz, seine eigene Kapitalgesellschaft. Seitdem hat er allen gezeigt, dass es geht und wie es geht: seinen skeptischen Eltern, seinen irritierten Kunden, der starren indischen Gesellschaft – und so manchen Securitys und Empfangsdamen.

Suhas war ein recht gewöhnlicher Junge aus dem indischen Mittelstand, bis ihn sein Bruder mit zehn in ein Cyber-Café mitnahm. Dort packte ihn die Leidenschaft – nicht am Spielen und Surfen, sondern am Programmieren. 1998, als er zwölf war, stellte er seine erste Website ins Netz, ein Infoforum für alle Inder. Sie weckte Interesse: bei Hackern aus Pakistan, die seine Seite kaperten, aber auch bei Talentjägern aus Kalifornien, die dem Gymnasiasten einen märchenhaft dotierten Job in einem großen IT-Konzern anboten, Chauffeur und Luxuswohnung inklusive. Doch statt einzuschlagen, gründete Suhas seine Firma Globals Inc. – auch das in Kalifornien, denn nach indischem Recht hätte er bis zur Volljährigkeit mit 18 warten müssen.

„Ein Jahr lang hab ich es meinen Eltern verheimlicht, sie hätten es nie erlaubt. Wenn ich meine Freunde einladen wollte, bettelte ich meinen Vater an, obwohl ich schon mein eigenes Geld verdiente. Ich wollte nicht, dass er Verdacht schöpft.“ Suhas spricht schnell, leise, verlegen, als plage ihn noch heute das schlechte Gewissen.

Freaks statt Akademiker. Schließlich ließ sich sein Unternehmertum nicht mehr länger verheimlichen, schon wegen der schlechten Noten, die der brave Schüler plötzlich nach Hause brachte. Sein Vater, ein Verteidigungsexperte, nahm es besser auf als seine Mutter: „Sie hatte Angst, dass ich auf die Nase falle.“

Der Jungunternehmer begann bei null: kein Kapital, vier minderjährige Freelancer, nur unausgereifte Ideen. Heute hat Globals Inc. 350 Mitarbeiter und Büros in elf Ländern. 100 Mio. Dollar bot ihm ein amerikanischer Private-Equity-Fonds schon 2005 für seine Firma. Wie war das möglich? In der boomenden IT-Industrie Indiens mit ihren tausenden Firmen musste er sich etwas Besonderes einfallen lassen, um reüssieren zu können.

Anfangs war er nur billiger, und noch heute ist der Preis Teil der Strategie: „Bei uns zählt nicht, wie alt jemand ist und ob er einen Uni-Abschluss hat. Entscheidend ist nur, was er kann. Deshalb haben wir so viele Praktiker, junge Freaks mit unterschätzten Talenten. Das senkt die Kosten.“

Das zweite Erfolgsgeheimnis war das neue Kundensegment. Die meisten indischen IT-Firmen suchen ihre Auftraggeber in den USA. Dort lagern große Unternehmen das Schreiben von Programmen und Verwalten von Daten gern in billige Büros in Schwellenländer aus – praktischerweise nach Indien, wo jeder Englisch spricht.

Kontinentaleuropäer aber fürchten sich vor IT-Supportern, die man am Telefon nicht versteht. In diese Kerbe schlug Suhas: „Wir haben deutsche und italienische Studenten als Projektmanager zwischengeschaltet. Sie bauen die Brücke, das Vertrauen ist da.“ Zurzeit macht Globals Inc. zwei Drittel des Umsatzes in Europa.

Bei Schwänzen SMS. Wirklich stolz aber ist Suhas auf sein elektronisches Klassenbuch, das Flaggschiff seiner Firma. „Die Idee dazu kam mir in der Schule. Da gab es immer einen wüsten Papierkrieg.“ Heute werden in 1250 indischen Schulen alle Daten elektronisch erfasst. Die Eltern bekommen automatisch ein SMS, wenn ihr Sprössling schwänzt. „Das hab ich erst nach der Matura programmiert, meine Mitschüler hätten mich sonst gelyncht“, grinst Suhas. Jetzt ist er dabei, mit seinem Schulinformationssystem die USA und die Niederlande zu erobern.

In seiner Firma geht es freilich ziemlich locker zu. Im Schnitt sind die fix Angestellten 26 Jahre alt, älter als 35 ist niemand, der jüngste Freelancer wurde gerade 13. Für den Nachwuchs an Wunderkindern ist also gesorgt. Freitag nach Dienst spinnt man sich aus, „oft spielen wir Verstecken, um den Kopf frei zu kriegen.“ Laufend kommen Praktikanten aus Europa in das indische Kultunternehmen, lernen die Realität eines Schwellenlandes kennen und bringen ihre Ideen ganz zwanglos in die Management-Meetings ein. Hierarchien gab es lange keine: „Ich hab geglaubt, dass jeder mir selbst berichten sollte. Erst seit Kurzem kann ich delegieren.“

Popstar der Wirtschaft. Das muss er aber auch, der kleine Boss. Seit sich sein medialer Status als „jüngster CEO der Welt“ verfestigt hat, wird er auf der ganzen Welt herumgereicht: als Parade-Inder und Vorbild der Jugend von der Regierung, als „Young Global Leader“ vom Weltwirtschaftsforum, auf Konferenzen und Symposien als Popstar der sonst so grauen Wirtschaftswelt. Das macht auch auf Bill Gates Eindruck: Er habe, gestand der Microsoft-Gründer im Gespräch mit Suhas demütig, erst mit 20 begonnen, also müsse er Angst vor ihm haben.

Trotz allem ist der Goldjunge geblieben, wie er war: schüchtern, nervös, bescheiden. Ein PR-Aushängeschild zu sein behagt ihm gar nicht. Aber er nimmt es auf sich, weil es der beste Weg ist, Kunden zu akquirieren. So auch am Freitag, wo er beim „India meets Austria Leadership Summit“ in Wien auftrat. Seine Mutter beklagt sich, dass er so selten zu Hause ist und isst. Er wohnt nämlich immer noch bei den Eltern. „Ich bin mit meinem Job verheiratet“, lächelt er und schämt sich gleich für die hohle Phrase.

Aber in ein paar Monaten, so hofft er, hat er endlich den Kopf frei. Nicht nur für neue Projekte: „Ich war lange zu vernarrt in meinen Job. Während meine Freunde Party machten, habe ich meine Jugend versäumt.“ Aber wer ein rechter Unternehmer ist, verfällt deshalb nicht in fruchtlose Melancholie: „Ich hol das jetzt nach.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2009)

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