Die Zweite Republik: Alles in allem eine Erfolgsgeschichte

Die Gründerväter haben eigentlich alles richtig gemacht. Und dennoch kann man mit der Philosophie von 1945ff heute kein Land mehr führen.

Es wird nicht mit Absicht geschehen sein, möglicherweise nicht einmal mit Hintergedanken. Dennoch ist es bezeichnend: Just an jenem Tag, an dem der Gründung der Zweiten Republik vor 70Jahren gedacht wurde, starteten die Verhandlungen zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Waren die Sozialpartner während einer großen Zeitspanne der vergangenen 70 Jahre die prägende Kraft neben – oder besser: hinter der Regierung, so haben diese Rolle mittlerweile mehr und mehr die Bundesländer übernommen.

Wurden Gesetze früher von den Funktionären von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer vorab ausgedealt und dann dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt, so werden gesetzliche Vorhaben heute erst nach Begutachtung durch die Landeshauptleute durchgewinkt oder gleich wieder abgesagt. Realpolitisch ist der Spielraum jedes Parteivorsitzenden, egal, ob von SPÖ oder ÖVP – zu Haiders Zeiten auch der FPÖ – durch die eigenen Landesfürsten erheblich eingeschränkt. Denn sie sind es, die für seine Wiederwahl sorgen und auch einen Großteil der Wahllisten beschicken.

Vor allem aber: Die Länder geben mit leichter Hand das Geld aus, das der Bund einnimmt. Immerhin hat die Hypo-Pleite insofern zur Bewusstseinsbildung beigetragen, als den Ländern und ihren politisch (Un-)Verantwortlichen Grenzen gesetzt werden müssen. Soll die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik weitergehen, dann wird man im Verhältnis des Bundesstaats zu den Bundesländern eine vernünftige, der tatsächlichen Relevanz entsprechende Basis finden müssen.

Und es war bisher eine Erfolgsgeschichte. An deren Wiege auch die Bundesländer standen. Wirtschaftlich wie moralisch am Boden ist auch Österreich – wie es in der DDR-Hymne geheißen hat – „auferstanden aus Ruinen“. Wer hätte es 1945 – dem Terror der NS-Herrschaft erst knapp entronnen, das Land besetzt, der Hunger Alltag – für möglich gehalten, dass wir uns 70 Jahre später zu einem nicht geringen Teil mit Luxusproblemen herumschlagen werden? Laut einer Eurostat-Erhebung von Ende 2013 ist Österreich gemessen am Pro-Kopf-Einkommen das zweitreichste Land in der Europäischen Union nach Luxemburg.

Der Interessenausgleich, das, was wir später Sozialpartnerschaft nennen sollten, war ein wesentlicher Teil dieser Erfolgsgeschichte in den ersten Jahren. Den Schrecken der Ersten Republik noch in den Köpfen, dieser Spielart des Klassenkampfs, gingen Rot und Schwarz den Weg der Versöhnung. Zum Preis eines weiteren Tabus. Es wurde nicht nur über die NS-Zeit kaum gesprochen, sondern auch nicht über die Zeit von Bürgerkrieg und Ständestaat. Psychologisch war das wahrscheinlich sogar richtig. Wie eben auch die Überwindung der Gegensätze von SPÖ und ÖVP, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zum Preis der Mauschelei im Hinterzimmer.

Auch wenn man von der Prämisse ausgeht, dass nichts ewig währt, lässt sich sagen, dass die Republik Österreich heute eine gefestigte Demokratie ist. Die Stützen der Sozialpartner werden also eigentlich nicht mehr gebraucht. Wobei man ohnehin einräumen muss, dass sich diese durchaus schon von sich aus ein wenig zurückgenommen haben.

Von einer Machtausübung wie in früheren Zeiten, als etwa Zentralbetriebsräte mehr oder weniger ganze Unternehmen dirigiert haben, sind wir weit entfernt. Das Ende der Verstaatlichten, die Privatisierungen, der Beitritt zur Europäischen Union haben das Land liberalisiert, es wettbewerbsfähiger und moderner gemacht.

Jetzt muss nur noch jemand den Ländern und ihren Vertretern klarmachen, dass auch sie sich mehr zurücknehmen sollten. Damit die Erfolgsgeschichte weitergeht.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2015)

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