Gekommen, um zu gehen? Die Spitzenforschung und das Geld

Ein Berliner Institut will Vorzeigeforscher Josef Penninger abwerben. Das Tauziehen zeigt, wo wir im Wettbewerb der Wissenschaftsstandorte stehen.

Der Genetiker Josef Penninger liebt Vergleiche mit dem Fußball. Er wolle in der Champions League der Forschung spielen, so sein Credo. Zu Penningers besonderen Leistungen zählt etwa die Entschlüsselung der Rolle eines körpereigenen Proteins bei Krankheiten wie Osteoporose oder Brustkrebs. Erst im vergangenen Jahr hat er den Wittgenstein-Preis bekommen, der als „Austro-Nobelpreis“ gilt. Wo der Österreicher seine Erfolge einfährt, spielt für ihn eine untergeordnete Rolle. Forscher gehen dorthin, wo sie die besten Bedingungen für ihre Arbeit vorfinden.

Nun hat ihm das Berliner Max-Delbrück-Centrum ein Angebot gemacht: Kolportierte 90 Millionen Euro Jahresbudget winken. Der sechsfache Betrag dessen, was Penninger derzeit am Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zur Verfügung hat. Und ein Vielfaches dessen, was ihm Wissenschaftsministerium und Stadt Wien nun zum Bleiben anbieten: Die Rede ist von mehr als 20 Millionen Euro. Viel Geld, aber der Vergleich zeigt, wie wenig man aufzubieten hat, um einen der besten Forscher des Landes zu halten. Die Entscheidung, ob er bleibt, könnte heute, Montag, fallen.

Penninger war schon einmal weg. Er ging als junger Forscher nach Kanada, wo er eine steile Karriere machte. Das wurde auch honoriert: Zweimal wurde er in die Top Ten der „modernsten Wissenschaftler des Jahres“ gewählt, Medien kürten ihn zum „Young leader in medicine in Canada“ und reihten ihn unter die „zehn interessantesten Menschen des Jahres“. Im Jahr 2002 holte ihn die ÖAW für den Aufbau des Imba zurück. Das Institut im Vienna Biocenter in Wien Landstraße ist heute eine international beachtete Spitzenforschungseinrichtung.

Die Offenheit für Mobilität lernen Forscher schon früh: auch als pure Notwendigkeit, um sich weiterzuentwickeln. Gewünscht wird freilich, dass sie mit mehr Wissen wiederkommen. Befürchtet, dass sie das nicht tun. Oder dass sie kommen und dann wieder gehen, wie es nun bei Penninger passieren könnte.

Österreich heftet sich gern das Ziel auf die Fahnen, Innovation Leader werden zu wollen. Man will zu den besten Forschungsnationen Europas aufschließen. Dafür sollen die Ausgaben für die Forschung bis 2020 insgesamt 3,76 Prozent des BIPs ausmachen. So steht es jedenfalls in den Regierungspapieren. Doch das gebetsmühlenartig wiederholte Bekenntnis hat an Glaubwürdigkeit verloren. Der Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung – immerhin ein Beratungsgremium der Regierung – rechnet regelmäßig vor, dass sich das nicht mehr ausgeht. Es fehlt an Geld. Aber auch am politischen Konsens, mehr Mittel für Forschung einzusetzen. Und so droht Rückschritt statt Fortschritt.


Die Dimension des Angebots an Penninger mag auch andere heimische Einrichtungen zum Träumen bringen: Das Budgetangebot des deutschen Forschungsinstituts entspricht immerhin dem einer mittelgroßen österreichischen Universität – für Lehre, Forschung und andere Aufgaben. Zwar gab es für die Unis zuletzt mehr Geld; das deckt aber gerade die Mehrkosten durch Indexanpassung, kollektivvertraglich fixierte Lohnerhöhungen oder erhöhte Mieten (die Gebäude gehören den Unis ja nicht). Große Sprünge sind da kaum möglich.

In Österreich fehle die Aufbruchstimmung und die Unterstützung für die unterdotierte Forschungslandschaft, ließ Penninger zuletzt ausrichten. Was aber haben Länder wie Deutschland, Dänemark oder Schweden, die Innovations-Rankings anführen, was Österreich nicht hat? Sind es wirklich nur die Mittel? Oder gelingt es dort besser, Innovationsfreude zu wecken?

Ein Wissenschaftler macht zwar noch keine Wissenschaftslandschaft. Aber letztlich ist es vielleicht wirklich wie beim Fußball: Wenn ein Starstürmer abgeworben wird, schwächt das mitunter die ganze Mannschaft. Und es zerstört Motivation bei denen, die bleiben.

Die Frage sollte also lauten: Können wir es uns leisten, Penninger gehen zu lassen? Aber in der Realität der aktuellen Forschungsfinanzierung lautet sie vielmehr: Können wir es uns leisten, ihn zu halten?

E-Mails an: alice.grancy@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2015)

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