Nach Zugkollision: Kritik an "pietätlosen Vorverurteilungen"

Die beiden beschädigten Zuggarnituren wurden bereits in die Remise der Steiermärkischen Landesbahnen nach Übelbach gebracht.
Die beiden beschädigten Zuggarnituren wurden bereits in die Remise der Steiermärkischen Landesbahnen nach Übelbach gebracht.APA/ÖAMTC
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Erste Ermittlungen nach der Zugkollision sollen darauf hindeuten, dass einer der Lokführer ein Haltesignal missachtet habe. Die Gewerkschaft kritisiert Aussagen des Landesbahnen-Chefs.

Nach der tödlichen Zugkollision nahe Graz vom Mittwoch sind nun Ermittler und Gutachter gefordert: Alle Fahrgäste müssen in den kommenden Tagen als Zeugen oder Opfer befragt werden, die Leiche des 21-jährigen Lokführers wird obduziert und die Black Boxen der Züge ausgewertet. Der Zustand der 60-jährigen Passagierin, die bei dem Unfall schwerst verletzt wurde, war Donnerstagmittag unverändert lebensgefährlich.

Bereits ausgewertet sein sollen einem Bericht der "Kronen Zeitung" zufolge die Tonbandprotokolle der via Handy geführten Gespräche zwischen Fahrdienstleitung und den beiden Lokführern. Demnach habe die Analyse ergeben, dass beide Lokführer per Telefon ein Haltesignal erhalten hatten, einer der beiden jedoch trotzdem weitergefahren sei.

Gewerkschaft: "Pietätlose Vorverurteilungen" 

Der Zugverkehr zwischen Deutschfeistritz und Übelbach wurde am Tag nach dem Unglück wieder aufgenommen. Die beiden beschädigten Zuggarnituren sind in die Remise der Steiermärkischen Landesbahnen nach Übelbach gebracht worden, wo ein Gutachter mögliche technische Ursachen für den Unfall sucht oder ausschließt.

Die Gewerkschaft vida kritisierte unterdessen die Sterermärkischen Landesbahnen scharf: Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn, sagte am Donnerstag: "Solange organisatorische und systemische Mängel im Betriebsablauf nicht ausgeschlossen werden können, ist es völlig unangebracht, bereits von menschlichem Versagen als Ursache des Zusammenstoßes zu sprechen." Er kritisierte damit "pietätlose Vorverurteilungen" von Landesbahnen-Geschäftsführer Helmut Wittmann, der gleich nach dem Unglück einen Fehler des Lokführers vermutete. "Ich gehe davon aus, dass die Strecke nach dem aktuellen Stand der Technik ausgestattet und abgesichert war. Sollte eine Untersuchung Gegenteiliges zutage fördern, werden wir seitens der Gewerkschaft Anzeige erstatten", kündigte Hebenstreit an.

"Versagen bei der Geschäftsführung"

Wie Hebenstreit weiter berichtet, würden sich nun nach dem Unglück immer mehr ehemalige Mitarbeiter der Steiermärkischen Landesbahnen bei der Gewerkschaft melden und schwere Vorwürfe erheben: "Wenn es sich bewahrheitet, dass die Fahrzeuge kein GPS haben, ist das ein Wahnsinn. Diese Strecken werden üblicherweise mit GPS überwacht, die Technik ist seit einem Jahrzehnt im Einsatz."

Mit den Antennen auf den Zügen sei auch eine Betriebsüberwachung möglich, die Kosten für ein GPS-System in der Fahrerkabine würden "nichts im Vergleich zu den Kosten einer Garnitur" sein. Er schätze den Preis auf 1000 Euro ein, während eine Zuggarnitur mehrere Millionen Euro kostet. Stimmten die Vorwürfe der ehemaligen Mitarbeiter, "war es menschliches Versagen, ja, aber bei der Geschäftsführung", betonte Hebenstreit zur Austria Presseagentur. Die Meldungen der Ex-Mitarbeiter würden erst geprüft, weshalb man noch keine Details der Vorwürfe nennen wolle.

>> Bericht der "Kronen Zeitung"

(APA/Red.)

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