Rund 22.000 Menschen gedenken der Befreiung des Konzentrationslagers vor 70 Jahren. Gefordert wurde Solidarität mit jenen, die heute nach Europa flüchten.
Mauthausen. 50 Kilo schwere Granitbrocken mussten die Häftlinge in der Strafkompanie aus dem Steinbruch schleppen, über die 186Stufen der sogenannten Todesstiege 31Meter nach oben, ins eigentliche Konzentrationslager Mauthausen. „Kein Einziger hat die Zuweisung in diese Strafkompanie überlebt“, schilderte Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees. Jene Häftlinge, die im Steinbruch zur Arbeit gezwungen worden waren und sich dort zu Tode schufteten, standen gestern im Zentrum des Gedenkens im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. „Vernichtung durch Arbeit“ nannten die Nazis diese Methode, bei der die Arbeitskraft der KZ-Häftlinge vor deren Tod noch maximal ausgebeutet wurde. Das Geld floss unter anderem in die Kassen der SS.
Rund 22.000 Menschen aus aller Welt – unter ihnen rund 50 KZ-Überlebende sowie Angehörige, Spitzenpolitiker und ausländische Staatsgäste – gedachten gestern am ehemaligen Appellplatz in Mauthausen der Befreiung des Konzentrationslagers durch US-amerikanische Truppen, die am 5.Mai 1945 in Mauthausen eingetroffen waren. Insgesamt waren im KZ Mauthausen und seinen zahlreichen Nebenlagern – darunter Gusen, Ebensee und Melk – rund 200.000 Personen interniert. Nur die Hälfte von ihnen überlebte. 100.000 Menschen fielen in Mauthausen der Todesmaschinerie der Nazis zum Opfer.
„Riskieren im Mittelmeer ihr Leben“
An jene 500 russischen Offiziere, die im Februar 1945 versucht hatten, aus dem Konzentrationslager zu fliehen, erinnerte Mernyi in seiner Ansprache. Nur elf von ihnen überlebten diese „Hasenjagd“. Alle anderen wurden „erschossen, erschlagen, erstochen“ von der SS und der Polizei – aber auch von der Hitlerjugend und von der ganz normalen Bevölkerung. „Die Unmenschlichkeit von damals bekämpfen wir am besten, indem wir die Unmenschlichkeit von heute bekämpfen“, forderte Mernyi und nahm Bezug auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte. Es gelte, Solidarität zu zeigen mit jenen, „die heute nicht aus Europa, sondern nach Europa flüchten und im Mittelmeer ihr Leben riskieren“, so Mernyi.
Ähnlich äußerte sich der KZ-Überlebende Max Rodriguez Garcia vor Journalisten: „In Afrika erschießen sie jeden, Frauen, Kinder, Männer.“ Er bezweifle, dass die Menschheit aus der Geschichte gelernt habe. Umso mehr gelte es, mit der Jugend über die Geschehnisse von damals zu reden.
Bundespräsident Heinz Fischer – der eine ganze Reihe österreichischer Spitzenpolitiker anführte – rief dazu auf, die Menschenwürde hochzuhalten. „Es kann niemandem egal sein, ob wir auf einem Planeten leben, wo Menschenwürde ein Wert ist, oder ob wir in einer Zeit leben, wo die Menschenwürde mit Füßen getreten wird.“ Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mahnte, „niemals zu vergessen, und Werte wie Toleranz, Demokratie, Gewaltfreiheit und Solidarität hochzuhalten“. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) appellierte, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen: „Gedenktage sind stets auch ein Auftrag für die Gegenwart und die Zukunft, Mut und Zivilcourage zu zeigen.“
„Menschen, die froren, Angst hatten“
Der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schilderte das KZ Mauthausen in seiner Rede als „Synonym für unbeschreibliches menschliches Leid, für die Abwesenheit jeglichen Mitgefühls, für Sadismus und Menschenverachtung“. Deutsch erinnerte daran, dass hinter all den Zahlen und Daten über das Lager in Mauthausen „Menschen gestanden sind“, Menschen, „die froren, hungerten, Angst hatten und zu Tode erschöpft waren.“ (APA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)