ÖVP: Zwischen Wirtschafts-Wutbürgern und Pröll-Verstehern

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Der Programm-Parteitag wurde vom Ärger über die bevorstehende Steuerreform überschattet.

Wien. Falls sich jemand gefragt hat, wo die vielen Wutbürger geblieben sind: Einer, der Unternehmer Nick Kraguljac, hielt am Dienstag beim ÖVP-Parteitag in der Hofburg eine nicht immer ganz jugendfreie Brandrede und steigerte so seinen Bekanntheitsgrad über die Grenzen des Wirtschaftsbundes hinaus.

Der Evolutionsprozess, meinte der Delegierte aus Salzburg, werde hoffentlich dazu führen, dass „die Spezies der Macher“ die Blockierer in der ÖVP verdränge. Als Beispiel fiel ihm ad hoc Beamtengewerkschaftschef Fritz Neugebauer ein, den er coram publico aufforderte, in Pension zu gehen. Danach wandte sich Kraguljac an Parteichef Reinhold Mitterlehner, um ihm mitzuteilen, dass die Steuerreform nicht mehr, aber auch nicht weniger sei als „ein Schas“. Mit der Wortwahl waren nicht alle Wirtschaftsbund-Kollegen einverstanden, inhaltlich sehr wohl. Kraguljac gab ihnen an diesem (Partei-)Tag ein Gesicht, ein enttäuschtes, ein wütendes Gesicht.

Denn die Wirtschaft hatte sich von der Steuerreform eine Senkung der Lohnnebenkosten erwartet, aber bestimmt keine Erhöhung der Grunderwerbs- und der Mehrwertsteuer, keine elektronischen Registrierkassen für die Gastronomie und auch kein Rauchverbot, auch wenn Letzteres nichts mit der Steuerreform zu tun hat. Und die nächste Belastung kommt bestimmt: ein Bonus-Malus-System, das Strafen für Betriebe bringt, die zu wenig ältere Arbeitnehmer beschäftigen.

Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser, am Dienstag nur Beobachterin beim ÖVP-Parteitag, sprach am Rande des Geschehens von einer „Gemengelage“. Es sei zuletzt einiges zusammengekommen, auch viel Frust. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wiegen diese Belastungen doppelt schwer.“ Man hoffe nun auf Abfederungen und sei guter Dinge, „weil wir ein gutes Gesprächsklima mit Mitterlehner haben“. Trotz allem, möchte man hinzufügen.

Bauernbund und ÖAAB erklärten sich, wohl nicht ganz uneigennützig, solidarisch mit der Wirtschaft. Gemeinsam brachte man einen Antrag zum „Schutz des Eigentums“ ein. Die Grunderwerbssteuer wurde darin zwar nicht explizit erwähnt, allerdings wird die Partei aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, die steuerliche Belastung von Eigentum so gering wie möglich zu halten – im privaten wie im betrieblichen Bereich. Mitterlehner stellte in seiner Rede zwar Entschärfungen in Aussicht, ins Detail wollte und konnte er aber nicht gehen. Denn die Entscheidung darüber werde „leider nicht hier drin“ fallen, sondern – das sagte er nicht – in der Regierung.

Hofburg: Pröll „will gebeten werden“

Am Nachmittag traf der niederösterreichische Landeshauptmann ein, um sich ein Bild vom Parteitag und möglicherweise auch vom Austragungsort zu machen. Jedenfalls beflügelte die Kombination aus Erwin Pröll und Hofburg die Spekulationen im Saal: Wird er es tun oder nicht? Er sei von niemandem gefragt worden, ob er 2016 Bundespräsidentenkandidat der ÖVP werden wolle, hatte der Landeshauptmann diese Woche in der „ZiB2“ gesagt. Daraus schloss ein Pröll-Kenner hinter vorgehaltener Hand: Der Mann wolle gebeten werden. Dann werde er „Ja sagen“.

Mehr zur Steuerreform: Seite 4

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2015)

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