HCB-Skandal: Behörden haben versagt

K�RNTEN: SONNENALM-MOLKEREI IM G�RTSCHITZTALER KLEIN ST. PAUL
K�RNTEN: SONNENALM-MOLKEREI IM G�RTSCHITZTALER KLEIN ST. PAUL(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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Am Anfang war verseuchte Milch. Nun entdeckte eine unabhängige Kommission, dass der Umweltskandal im Görtschitztal auch auf Fehler in den Ämtern zurückzuführen ist.

Klagenfurt/Wien. Einen Bericht „frei von politischen Einflüssen“ hat Kärntens Landesregierung im Dezember der Öffentlichkeit versprochen. Mehrere Monate später sieht es so aus, als hätte man tatsächlich Wort gehalten.

Die Analyse jener Expertenkommission, die Behördenvorgänge durchleuchten sollte, die vor der Freisetzung des Umweltgiftes Hexachlorbenzol (HCB) im Görtschitztal möglicherweise mitverantwortlich für den Skandal waren, ist definitiv keine Werbung für die Qualität der Landesverwaltung. Amtsmissbrauch, so das unabhängige, vom Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk geleitete Team, habe man zwar nicht entdeckt. Fehler, Ungenauigkeiten und die falsche Bewertung von Fakten begegneten Funk und seinen Partnern, Hans Peter Hutter (Umweltmediziner), Franz Neubacher (Sachverständiger für Abfallwirtschaft) und Bernhard Raschauer (Verwaltungsrechtler), jedoch zuhauf. Ein Überblick.

1. Hat sich das Zementwerk im Behördenverfahren korrekt verhalten?

Nach Ansicht der Funk-Kommission war das – zumindest formal – tatsächlich so. Alle nötigen Bescheide und Genehmigungen für das Zementwerk von Wietersdorfer & Peggauer, das für die Freisetzung des im Blaukalk vorhandenen HCB verantwortlich sein dürfte, liegen vor. Ob der Zementofen, in dem der mit HCB belastete Blaukalk gefahrlos zu Klinker gebrannt werden sollte, richtig funktionierte oder bedient wurde, lag jedoch nicht im Prüfauftrag der Kommission.

Vorsichtig kritisch äußern sich die Experten jedoch in Bezug auf die einzuhaltende Sorgfaltspflicht des Zementwerkbetreibers, die unabhängig von behördlichen Genehmigungen gilt. Die Genehmigung für das Zementwerk basiert auf einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) aus dem Jahr 2003. In dieser ist jedoch keine Rede von kontaminierten Brenn- und Rohstoffen. Der Einsatz ebendieser wurde später lediglich bei der Berzirkshauptmannschaft St. Veit angezeigt – und von der Behörde akzeptiert.

2. Wandten Kärntens Behörden die richtigen Verfahren an?

Laut Funk-Kommission eindeutig nicht. Und trotzdem – siehe oben – bedeute das keinen Amtsmissbrauch. Wie geht das?

Am Anfang war ein positiver UVP-Bescheid (2003). Ihm folgte 2010 eine Genehmigung für die Betriebsanlage. Beide Bescheide kamen laut Kommissionsbericht rechtlich korrekt zustande und waren daher auch eine solide Grundlage für darauf aufbauende Verfahren. Theoretisch. Mit zwei Anzeigen bei der Bezirkshauptmannschaft St. Veit (siehe Punkt 1) gab Wietersdorfer den Einsatz kontaminierter Ersatzroh- und Brennstoffe bekannt. Die Behörde nahm das zur Kenntnis. Und handelte dabei ohne rechtliche Grundlage. Die Funk-Kommission ist nämlich der Meinung, dass es sich dabei um eine wesentliche Änderung der 2010 genehmigten Anlage handelte, und diese nicht nur anzeige-, sondern vor allem auch genehmigungspflichtig gewesen wäre.

3. Warum glaubte die Behörde, dass vom HCB keine Gefahr ausging?

Das HCB steckt – wie andere schädliche Substanzen – im kontaminierten Blaukalk eines Werks der Donau Chemie in Brückl, wo diese Altlast seit langer Zeit das Grundwasser verseucht. 2004 ließ Kärnten eine Studie ausarbeiten, die die Methode der Verwertung des Blaukalks in einem Zementwerk analysierte. Das Ergebnis war positiv. Laut Funk-Kommission ein fataler Trugschluss. Die Schadstoffkonzentration in der Versuchsanordnung entsprach nämlich nur einem Bruchteil der HCB-Belastung der Blaukalk-Deponie.

4. War die Information der Bevölkerung ausreichend?

Nein. Interne Informationsprozesse und die Weitergabe des Wissens an die Bürger hätten nach Bekanntwerden des Skandals besser funktionieren müssen. Immerhin, so die Kommission, sei nach den jahrelangen Verfahren allen Beteiligten klar gewesen, dass als Quelle für das HCB in der Region nur die Blaukalk-Deponie oder das den Blaukalk verwertende Zementwerk infrage kommen könne. (awe)

AUF EINEN BLICK

Im November 2014 gab Kärntens Landesregierung bekannt, dass in Milch das Umweltgift HCB in hohen Dosen entdeckt wurde. Bereits im Frühling hatte eine kleine Molkerei die Behörden darauf hingewiesen, dass in einem Käse erstmals Spuren von HCB entdeckt worden waren. Im Dezember weitete sich die Sache zu einem Umweltskandal aus. Die Landesregierung beauftragte den Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk mit der Erstellung eines Berichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)

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