Ausstellungen: Ein Krönchen für die starken Frauen

Feministische Kunst ist zurzeit auffällig sichtbar, was keine falschen Hoffnungen nähren sollte: Michaela Spiegel geht in Wien hart mit Prinzessinnenträumen ins Gericht, Nancy Spero schenkt in Salzburg Mut.

Lustiges Femme-Fatale-Raten mit der Künstlerin Michaela Spiegel, die im Film „Female Facets“ fünf berühmte Frauen, fünf „Musen“ anhand einiger ihrer weniger bekannten Eigenschaften porträtiert hat. Zum Aufwärmen: Eine Domina in Ledermontur sitzt am Klavier, spielt eigene Kompositionen, trinkt und lutscht an einem Zuckerl („Alma Mahler war süchtig nach Zuckerln.“). Für Fortgeschrittene: Aus wallendem Gewand wird ein Opernballkrönchen hervorgeholt, betrachtet, gedreht, wieder zurückgesteckt, Miesmuscheln werden geputzt, ihr Innerstes hervorgeholt, untersucht. („Marie Bonaparte, Mäzenin der Psychoanalyse, die sich zweimal die Klitoris operieren ließ, was damals übrigens gar nicht so selten war. Sie hat hunderte weibliche Geschlechtsorgane vermessen – von ihr werden wir noch viel hören.“)

Ähnlich detailreich inszeniert Spiegel sich noch als Wallis Simpson, die Goldbarren und Diamanten putzt („Sie ist letztlich an ihrer Gier untergegangen. Das Personal musste die Geldscheine, auf die König Edwards Porträt gedruckt war, waschen und bügeln.“). Als Anna Freud, die sich in schwarzen Fäden verstrickt („Sie war begeisterte Handarbeiterin, hat sich sogar ihre eigenen Etiketten ,handmade by Anna Freud‘ in die Kleider nähen lassen.“). Und als Josephine Baker, die übrigens neben ihrem Sex-Image begeisterte Mutter war, eine Art Angelina Jolie der 20er-Jahre, „sie sammelte Adoptivkinder aller Hautfarben“.

„verziehung nur vom feinsten“

Die detailreichen, gefinkelten Filmkurzporträts sind die jüngsten Arbeiten in Spiegels Überblicksausstellung in der Wiener Galerie Steinek, in der sie hart umspringt mit weiblichen Allüren und Prinzessinnenfantasien, mit bürgerlichen Rollenbildern, die sie selbst mühsam gelernt hat abzustreifen. Ist sie nicht manchmal zu streng zu ihren Geschlechtsgenossinnen? „Meine Arbeit handelt nun einmal nicht von Männern, sondern von Weiblichkeit, die ich anhand von Rollenbildern hinterfrage“, erklärt die Mittvierzigerin, die zwar in Wien laut Lebenslauf „verziehung nur vom feinsten“ genossen hat, mittlerweile aber in Paris lebt. „In einem Hinterhof, ich bin eine Hinterhoffrau, wenn ich keinen Hund hätte, würde ich gar nicht vor die Türe gehen.“

Der Mops heißt Marlon. Und Spiegels Werk ist in Österreich viel zu wenig bekannt, wird zu selten gezeigt, zu wenig ernst genommen anscheinend – obwohl es mit seinen Bezügen auf das Körperliche und mit seinen köstlichen, teils heimtückischen Wortspielen (fast hätte man hinterfotzig geschrieben) doch so schön österreichisch ist.

In einer Art gläsernem Schneewittchensarg lauert „die frau torte die verdorrte“, eine 2001 hier aufgebahrte Prinzesstorte vom Demel, die sich ohne Konservierungsmaßnahmen erstaunlich gut gehalten hat, eben „Haltung“ bewiesen hat, wie Spiegel auf dem Sockel schreibt. „die prinzesstorte bestand aus/einem unendlichen märchen/von zuckerguss und peitsche/sie brauchte die schaumrolle/ehe-baldigst gegessen/versteinerte sie und bewies haltung.“ Dieses bürgerliche Frauenbild hat sich für die Künstlerin bis heute in der Gesellschaft gehalten. „Im Vergleich zu Frankreich sind wir im Feminismus hintennach.“ In ihrem auf Seidendamast gemalten Porträtzyklus „Salonrevolution“ lernt man einige skurrile Frauenschicksale und -namen kennen, die vielleicht viel bewegen hätten können, es aber doch nicht taten: Die Wirtschafterin von Karl Marx etwa, die tatsächlich Helene Demuth hieß. Oder Mercedes de Acosta, eine Kostümbildnerin, „die sich gebrüstet hat, mit den schönsten Frauen ihrer Zeit geschlafen zu haben“. Gerade beschäftigt Spiegel sich intensiv mit Marie Antoinette, „die ja offiziell wegen Inzests mit ihrem Sohn hingerichtet wurde“.

Boeckl-Preisträgerin Nancy Spero

Feministische Kunst ist zurzeit auffällig sichtbar. Woraus man aber nicht vorschnell einen Durchbruch ableiten sollte, im Gegenteil. Krisenzeiten bedeuten seit jeher eher die Rückkehr zu traditionellen Mustern. Vielleicht sind die auffällig vielen Ausstellungen und Ehrungen starker Künstlerinnen also auch nur ein Aufbäumen vor dem nächsten Durchhänger – man traut dem eigenen Optimismus ja besser nicht.

Maria Lassnig etwa feiert in ihrem neunten Jahrzehnt gerade ein beispielloses Karrierehoch, und ja, sie ist eine feministische Künstlerin, eine der wichtigsten, auch wenn sie das nicht hören will. Demnächst wird Elke Krystufek den Österreich-Pavillon in Venedig von „Austria“ in „Tabu“ umbenennen. Und in Salzburg wurde heuer eine Pionierin feministischer Kunst mit dem Herbert-Boeckl-Preis ausgezeichnet, die 1926 geborene Nancy Spero, die 1972 in New York auch die erste von und für Frauen geführte Galerie „A.I.R“ mitbegründete.

In den 70ern fand sie auch zu ihrer unverwechselbaren, sehr zarten Sprache. Motivisch arbeitet sie wie Michaela Spiegel mit historischen Darstellungen von Frauen, allerdings nicht aus den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, sondern mit starken, körperbewussten Frauendarstellungen aus antiken Mythen. Auf langen Papierrollen kombiniert sie diese dann mit heutigen Frauenposen. Das neue visuelle Alphabet einer selbstbewussten Weiblichkeit, zum Mutmachen.

Ausstellungen

Michaela Spiegel, Galerie Steinek, Eschenbachgasse 4, bis 30.April, Dienstag bis Freitag 13–18h, Samstag 11–15 Uhr.

Nancy Spero, erhielt heuer in Salzburg den Herbert-Boeckl-Preis, Ausstellung bis 14.Juni im Museum der Moderne am Mönchsberg, Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr.

Maria Lassnig, bis 17. Mai im Mumok, täglich 10–18 Uhr, Donnerstag 10–21 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2009)

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