Burkini? Danke, kein Bedarf!

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Wien und Berlin erlauben den muslimischen Ganzkörper-Badeanzug. Bloß: Anziehen will ihn (noch) keine. Aufgekommen war das Thema, weil in Wien einige Frauen mit Leggings und T-Shirt gebadet hatten.

Wien/Berlin.Vorbei, bevor es begann: So könnte es dem „Burkini“ gehen. Im vorigen Sommer hatte der Ganzkörperbadeanzug für strenggläubige Musliminnen, der an Sydneys Stränden zum Alltag gehört, in Wien für Aufsehen gesorgt. Denn: Wie in der Schweiz und den Niederlanden sollte er in den Bädern erlaubt werden. Seit Anfang 2009 ist er das auch. Theoretisch. Praktisch, sagt Werner Schuster, Leiter der MA 44 (Bäder), „sieht man ihn fast nie“.

Aufgekommen war das Thema, weil in Wien einige Frauen – sicherheitstechnisch und hygienisch nicht korrekt – mit Leggings und T-Shirt gebadet hatten. Im Nachhinein, sagt Schuster, habe man das Problem und den Lösungsbedarf überschätzt. „Wahrscheinlich genügt unser Frauenschwimmen“, kommentiert er die Burkini-Abstinenz, bei der aber auch der Preis eine Rolle spielen könnte: 100 Euro kostet ein Burkini in etwa, zudem muss man ihn in Wien noch immer via Internet beziehen. Eine weitere Hürde sieht Schuster darin, dass Burkini-Frauen im Bad auffallen würden – und zwar heftig: „Sie kennen die Wiener Seele ...“

Reaktionen? Davor hätte Carla-Amina Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich, keine Angst. Nachdem die Muslime zunächst überrascht auf den Vorstoß der Bäder reagiert hatten, sind sie nun erstaunt über den Schluss, es gebe keinen Bedarf: „Erstens beginnt der Sommer erst. Zweitens glaube ich, dass es sich bloß noch nicht herumgesprochen hat. Die Frage ist ja, ob das überhaupt bekannt gemacht wurde“, meint Baghajati. Sie will demnächst das Gespräch mit Schuster suchen und über präventive Aufklärung reden: „Gut wäre, wenn Frauen in kleineren Gruppen gehen und eine als Ansprechpartnerin für Badegäste dabei ist.“ Info-Kampagnen seitens der Bäder sind aber nicht geplant: „Ich werde sicher keine Plakate aufhängen“, sagt Schuster, „ich will nicht polarisieren.“

Polarisieren – das fällt in Berlin derzeit schwer: Im Rahmen eines Pilotprojekts wurde der Burkini beim montäglichen Frauenschwimmen im Kreuzberger Spreewaldbad zugelassen. Doch die lauernden Journalisten und Fotografen werden enttäuscht. Wenn einmal eine Schwimmerin im Burkini auftaucht, ist es nur ein Model.

„Bisher kam keine einzige muslimische Frau“, bilanziert Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäder, ähnlich wie Schuster, „es besteht offenbar kein Bedarf. Die muslimischen Frauen in Berlin sind schon weiter.“ Man sehe daher keinen Handlungsbedarf. Wenn das Projekt am 1.Mai ausläuft, werde man aber den Burkini im Spreewaldbad in den Frauenschwimmzeiten tolerieren. Das Projekt geht auf eine Geschäftsidee der Berliner Unternehmerin Nele Abdallah zurück. Sie hatte bei den Bäderbetrieben die Genehmigung für das Tragen von Burkinis beantragt, die sie im Internet vertreibt. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vereinbarte eine Testphase, jedoch wurden schon bisher verhüllte Frauen nicht am Schwimmen gehindert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2009)

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