Papieröl-Schwemme auf den Terminmärkten

CHINA OIL PRICE
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An den Rohstoffbörsen wird derzeit hundertmal mehr Rohöl gehandelt, als auf dem Markt vorhanden ist.

Der Ölpreis ist nach seinem Rutsch zwar seit Längerem in einem Preisband zwischen 50 und 70 Dollar je Barrel gefangen, er schwankt innerhalb dieser Bandbreite aber sehr stark. Ein Paradies für Spekulanten, die kurzfristige Schwankungen am besten gehebelt ausnutzen.

Wie sehr Kurzfrist-Trader von dieser Situation angezogen werden, zeigt das Volumen der einschlägigen Kontrakte, das sich seit dem Vorjahr mehr als verdoppelt hat. Das deutsche Trader-Portal godmode-trader.de hat sich die Mühe gemacht, die Fakten für dieses Jahr herauszusuchen. Demnach sind seit Jahresbeginn an den Terminbörsen Kontrakte über 137,2 Mrd. Barrel Rohöl gehandelt worden. Der tatsächliche globale Ölverbrauch hat aber „nur“ 1,27 Mrd. Barrel betragen. Das würde bedeuten, dass jedes Fass auf dem Weg vom Bohrloch zur Raffinerie im Schnitt 108-mal den Besitzer gewechselt hat. In der Realität ist das natürlich nicht der Fall. Beim weitaus größten Teil der gehandelten Kontrakte dürfte es sich also um Papieröl gehandelt haben – also um reine Finanzwetten auf den Ölpreis ohne echte „Unterlegung“.

Bei Privatanlegern (die allerdings nur einen sehr kleinen Teil der Rohstoffspekulation ausmachen) dürfte der Papieröl-Anteil exakt 100 Prozent sein. Denn wenn jemand beispielsweise eine Call-Option auf Öl bei seiner Bank erwirbt, geht er von Haus aus nicht davon aus, dass ihm die Bank zu einem bestimmten Zeitpunkt ein paar tausend Barrel Rohöl zum fixierten Preis nach Hause liefert – abgesehen davon, dass die Bank dies mangels Infrastruktur ohnehin nicht könnte. Es geht also um eine reine Preiswette, bei der am Schluss nach der „Was wäre wenn?“-Methode Gewinn oder Verlust berechnet wird. Dass solche Papieröl-Geschäfte, wenn sie von Profis an großen Terminbörsen getätigt werden, auch den Preis des echten Rohstoffs mitbeeinflussen, ist durchaus ein Problem.

Das Angebot an Produkten, mit denen auch Privatanleger auf den Rohstoffmärkten mitmischen können (etwa Zertifikate, Optionsscheine oder CFDs) wird immer größer. Direkt mitspekulieren sollten allerdings nur erfahrene Anleger. Denn die Sache auszusitzen geht bei Finanzprodukten mit Ablaufdatum nicht, und gehebelte Spekulationen (etwa mit Optionsscheinen oder CFDs) können sehr ins Auge beziehungsweise auf den Kontostand gehen. Personen ohne große Trading-Erfahrung sind wohl besser bedient, wenn sie in einschlägige Fonds gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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