Indien begräbt Frankreichs Hoffnung auf Jet-Megadeal

Französische
Französische "Rafale"Wikipedia/Vitaly V. Kuzmin
  • Drucken
  • Kommentieren

Verteidigungsminister bestätigt, dass man 36 "Rafale"-Kampfflugzeuge kaufen werde. Einst hatte man über mindestens 126 Stück verhandelt. Die ersparten Milliarden sollen in den Bau des indischen Jets "Tejas" gehen.

Nach rund 15 Jahren ist eines der größten zwischenstaatlichen Beschaffungsprojekte der Militärgeschichte offenbar tatsächlich beendet: Und zwar sozusagen nur teilweise zu Gunsten jenes Anbieters, der letztlich eigentlich gewonnen hat.

Indiens Verteidigungsminister Manohar Parrikar sagte am Wochenende, dass es sein Land bei der Bestellung von 36 Mehrzweckkampfjets "Rafale" des französischen Herstellers Dassault bewenden lasse. Auf die Zahl hatten sich beide Staaten schon im April geeinigt. Das klingt zwar enorm toll für den Luftfahrtkonzern und ist sicher auch lukrativ, nur: Zuvor war es um viel mehr gegangen, nämlich um 126 (!) Maschinen, zuzüglich einer Option auf 60 bis 75 weitere. Es wäre jedenfalls für Indien das größte Waffengeschäft bisher gewesen. "Die Presse" hat bereits früher berichtet, dass Paris um diesen Auftrag zittere (siehe hier).

Minister Parrikars Worten zufolge ist dieses Beschaffungsprogramm, das als "Medium Multi-Role Combat Aircraft Competition" (MMRCA) bekannt wurde und an dem sich auch andere europäische, russische und US-Flugzeugbauer beteiligt hatten, nun nach viel und ungewöhnlich heftigem Hin und Her zugunsten eines einheimischen Kampfflugzeugprogramms eingestellt worden: In mehreren TV-Interviews sagte Parrikar, dass man das durch den Verzicht auf mindestens 90 Rafales gesparte Geld in das leichte Mehrzweckkampflugzeug "Tejas" von Hindustan Aeronautics (HAL) stecken werde. Um den Betrag könne man nämlich mehr als 200 Tejas (bedeutet "leuchtend" oder "der Leuchtende") anschaffen.

Indien macht's einfach billiger

Dabei geht es um kräftige Summen: Parrikar nannte einen Betrag von umgerechnet etwa 15,5 Milliarden Dollar bzw. 14 Milliarden Euro. "Dafür kaufen wir Tejas-Jets zum Stückpreis von (umgerechnet) etwa 21 Millionen Euro und rüsten bis 2022 damit zehn bis zwölf Staffeln alter MiG-21 und MiG-27 um." Tejas-Hersteller HAL nannte im Vorjahr Stückpreise von 23 Millionen Euro. Zähle man die Entwicklungskosten dazu, seien es etwa 30 Millionen Euro.

"Tejas"-KampfjetRinju9

Im Stückpreisvergleich setzt Indien, das Beobachtern zufolge wirklich das letzte Wort gesagt haben soll, damit auf ein im Verhältnis zur Rafale und allen anderen in der MRCA angebotenen Jets (etwa Saab "Gripen", F-16 "Fighting Falcon") wirklich unvergleichlich günstigeres Flugzeug: Der Stückpreis der Rafale, von der ursprünglich mindestens 108 von 126 von HAL in Lizenz hätten gebaut werden sollen, lag bei 68 bis 96 Millionen Euro (laut Angaben des französischen Parlaments), ja unter Umständen bei 114 Millionen Euro (Quelle: indische Tageszeitung "Business Standard").

Auch eine zuvor schon von den Indern ins Spiel gebrachte inländische Alternative zur Rafale wäre deutlich teurer gekommen als der Tejas: Die bei HAL seit langem in Lizenz gebaute Su-30MKI ("Flanker-H"), primär ein schwerer Luftüberlegenheitsjäger des russischen Herstellers Suchoi, soll Indien immer noch 51 Millionen Euro pro Stück kosten.

Indische SU-30MKI
Indische SU-30MKIaircraftrecognition.co.uk

Und noch etwas: Die französischen Mirage 2000, die Anfang der 1980er beschafft worden waren und von denen Indien noch etwa 44 betreibt, werden seit ein paar Jahren um sehr teures Geld kampfwertgesteigert: der Business Standard spricht von 41 Millionen Euro pro Stück.

Parrikar lehnte es freilich vorerst ab, sich über den Kaufpreis für die übriggebliebenen 36 Rafales zu äußern. Man kann es sich aber in etwa ausrechnen. Der Ursprungsvertrag mit Dassault war anno 2012 geschlossen worden, hatte aber Nachverhandlungen vorgesehen. Diese sind vorrangig an Fragen des Technologietransfers und einer von Indien gewünschten Haftung von Dassault für die in Indien gebauten Jets gescheitert.

Die Rafale war lange eine Art Sorgenkind der französischen Aeronautik. Seit 1997 in Serie gebaut, fand sie nämlich außerhalb der französischen Luftwaffe und Marine erst heuer die ersten Abnehmer (siehe hier).

Tejas-Jet
Tejas-JetHAL

Dass Indien dem Tejas besondere Priorität einräumen würde, war schon früher absehbar: Das Prestigeprojekt, mit dem bereits Mitte der 1980er begonnen worden war und von dem erst Ende 2013 erste Modelle zur Erprobung an die Luftwaffe übergeben wurden, solle 14 Kampfstaffeln bilden, sagte das Verteidigungsressort im Februar 2014. Da eine solche Staffel in Indiens Luftwaffe 21 Jets zählt, wären das 294 Stück. Dazu sind 40 bis 50 Stück für neue Flugzeugträger der Flotte in Rede.

Begrenzter Kampfwert

Allerdings ist nicht anzunehmen, dass der Tejas vom Kampfwert her der (mittlerweile intensiv kriegserprobten) Rafale gleichkommen wird: Sowohl aktive als auch pensionierte indische Luftwaffenpiloten meinen, dass die Reduktion der Rafale-Order auf nur 36 Stück die indische Luftwaffe "operativ einengen" werde, vor allem mit Hinsicht auf die Hauptrivalen China und Pakistan. Zudem sei der Aufwand an Logistik und Instandhaltung angesichts der kleinen Zahl überproportional hoch.

Tejas bei der Bangalore Airshow 2015
Tejas bei der Bangalore Airshow 2015Rajan Manickavasagam

Tatsächlich ist der mit ziemlich viel israelischem Input (etwa Radar, elektronische Kampfmittel) entwickelte Tejas ein sehr leichter und kleiner Jet nach dem klassischen Deltaflügelkonzept und ohne Canards (Zusatzflügel seitlich am Rumpf), das heute eher nicht mehr als State-of-the-Art gilt. Betrieben von einem Düsentriebwerk des US-Herstellers General Electric soll es in erster Linie leicht, einfach zu bauen und wendig sein, ohne Anspruch auf Stealth-Fähigkeit, aber mit modernen Systemen und einer ziemlich kurzen Startstrecke (rund 500 Meter). Vergleich: Leer (also auch ohne Treibstoff) wiegt die Tejas ca. 6,5 Tonnen bei einer Nutzlast (v.a. Waffen) von mindestens vier Tonnen. Die Rafale wiegt schon leer ca. 10 Tonnen bei kräftigen sechs bis 10 Tonnen Nutzlast.

Größenvergleich: ganz vorne ein Tejas, dahinter eine F-16 und ein Eurofighter Typhoon bei der Airshow 2009 in Bangalore
Größenvergleich: ganz vorne ein Tejas, dahinter eine F-16 und ein Eurofighter Typhoon bei der Airshow 2009 in BangaloreWikipedia/Picasa/vishak

Nicht zuletzt deshalb wird die Tejas in ihrer Luft-Boden-Rolle im Vergleich zur Rafale schon einigermaßen in ihrer Schlagkraft beschränkt sein und wird sich als Jäger besser fühlen. Vom Preis-Leistungsverhältnis ist sie allerdings hervorragend und für Luftwaffen vieler Staaten eigentlich ausreichend - gerade für solche, die lebenszyklusbedingt in diesen und den nächsten Jahren weltweit Tausende angejahrte Kampfflugzeuge ausmustern, etwa der Typen MiG-21, MiG-23, frühe F-16-Modelle, Mirage-III und so weiter.

Bisher sind in Indiens großer Luftwaffe (mit rund 1900 einsatzfähigen Flugzeugen aller Art, davon rund 760 Kampfjets, die viertgrößte der Welt) kaum ein halbes Dutzend Tejas aktiv. Die erste Staffel soll 2017 stehen.

>>> Video der Indischen Luftwaffe:

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.