Fifa: Blatters Rücktritt ermöglicht Neubeginn

Blatter nach der Bekanntgabe seines Rücktritts am Dienstagabend
Blatter nach der Bekanntgabe seines Rücktritts am DienstagabendREUTERS
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Joseph Blatter trat Dienstagabend überraschend als Präsident des Fußball-Weltverbandes zurück. Der 79-Jährige klagt, er habe „nicht mehr das Mandat der gesamten Fußball-Welt“.

Zürich/Wien. Joseph Blatter ist nicht mehr Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa. Der Schweizer, 79, trat am Dienstag überraschend zurück. Obwohl der Druck auf ihn angesichts endloser Korruptions- und Schmiergeldvorwürfe immer größer zu werden schien, wirkte der Walliser nach seiner Wiederwahl am Freitag in Zürich gefasst und in seinem Amt gefestigt. Nichts schien ihn zu erschüttern, auch waren ihm ja ohnehin solche Vorwürfe seit dem ersten Tag seiner Amtszeit als höchster Fußball-Funktionär der Welt – er wurde 1998 bestellt – geläufig.

So pompös und umstritten seine Wiederwahl beim Kongress in Zürich auch war, so schlicht und unspektakulär verließ der mächtigste Sportfunktionär der Welt nach siebzehn Jahren Amtszeit die Bühne. Ein kurzes, unscheinbares E-Mail der Fifa-Pressestelle kündigte für Dienstagabend eine Stellungnahme an.

Untreue, Korruption, Bestechung

„Die Entwicklungen haben noch kein Ende genommen in diesem Skandal“, sagte der Schweizer schließlich um 18.46 Uhr und holte ganz tief Luft. Sein Statement wurde live im Internet übertragen: „Ich stelle mein Mandat zur Verfügung. Wir brauchen eine gewisse Zeit, um den am besten geeigneten Kandidaten zu finden. Wir brauchen Reformen, wir haben keine Kontrolle mehr über die Handhabe einzelner Funktionäre. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe.“

So schwer Blatter der Rücktritt nach vierzig Jahren im Weltverband – er wurde 1975 Generalsekretär –, gefallen sein mag, der Schweizer könnte den Weltfußball damit tatsächlich revolutionieren. Der Weg ist nun frei für Reformen, für restlose Aufarbeitung jahrelanger Korruption und das schonungslose Aufdecken sowie Aussortieren derer, die unbehelligt die Hand aufgehalten hatten. Blatter bewies damit die von so vielen Seiten verlangte Konsequenz; egal ob von Politik, Wirtschaft oder der Sportwelt.

FBI ermittelt angeblich

Über die ausschlaggebenden Gründe wird gerätselt. Zuletzt war Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke mit dem Korruptionsskandal in Verbindung gebracht worden. Der Franzose, 54, wusste Bescheid über eine zehn Millionen Dollar schwere Überweisung an den ehemaligen Vizepräsidenten Jack Warner – er ist einer von 14 verhafteten Funktionären, die von der US-Justiz angeklagt werden wegen Bestechung, Untreue und Korruption. Es war Bestechungsgeld für die WM-Vergabe 2010 an Südafrika. Valcke wollte den Geldtransfer weder genehmigt noch um dessen Zweckwidmung gewusst haben – doch der Name von „Blatters rechter Hand“ steht in der US-Anklageschrift unter Absatz 129. Aus Justizkreisen war hingegen vorerst keine Aussage zu vernehmen, dass gegen ihn oder Blatter ein Verdacht vorliege oder ermittelt werde.

Am späten Dienstagabend berichtete jedoch der US-Sender "ABC News" unter Berufung auf "mit dem Fall vertraute Personen", dass die amerikanische Bundesbehörde FBI im Zusammenhang mit den Razzien von vergangener Woche gegen Blatter ermittle.

Neuwahlen erst im März 2016

Der Weg für einen Neubeginn beim Fußball-Weltverband scheint dennoch frei. Blatter wird bis zu den Neuwahlen, die im Rahmen eines außerordentlichen Kongresses im Mai 2016 in Mexiko City stattfinden sollen, das Amt weiterführen; jedoch ohne Tätigkeit. Gemäß Statuten sind vier Monate zur Vorbereitung eines Wahlkongresses notwendig. Laut Domenico Scala, er ist Vorsitzender der „Audit- und Compliance-Kommission“ der Fifa, wäre zwischen Dezember 2015 und März 2016 ein realistischer Zeitraum.

Die Frage der Blatter-Nachfolge ist offen. Der bei der Wahl kläglich unterlegene jordanische Prinz Ali bin al-Hussein kündigte eiligst an, erneut antreten zu wollen. Ob es Uefa-Präsident Michel Platini aber goutiert, ist zweifelhaft. Der Franzose, Europas Fußball-Chef, war Blatters schärfster Kritiker, zog aber vor seinem Gegner den Hut: „Es war eine schwierige, mutige und einzig richtige Entscheidung.“ Und ÖFB-Präsident Leo Windtner sagt: „Diese Nachricht trifft alle überraschend, aber es ist eine Hoffnung auf eine neue Ära, die von Sauberkeit und Glaubwürdigkeit getragen ist.“

Was aber kann, was muss sich nun im Weltfußball ändern, damit der Korruption ein Riegel vorgeschoben werden kann? Das Exekutivkomitee (22 Personen) müsste verkleinert werden, seine Mitglieder wählbar sein. Integritätsprüfungen durch die Fifa und nicht durch Statthalter in lokalen Konföderationen sind fortan unerlässlich, beschränkte Amtszeiten (ab der zweiten Periode keine Wiederwahl) ein nachvollziehbarer, ein demokratischer Zugang. Diese Vorschläge klingen durchaus plausibel, von einem ambitionierten Kandidaten wohlfeil formuliert. Es waren aber Sepp Blatters letzte Worte als Fifa-Chef.

Zitate

"Ich habe ernsthaft über meine Präsidentschaft nachgedacht und über die vierzig Jahre, in denen mein Leben untrennbar mit der Fifa und diesem großartigen Sport verbunden gewesen ist", sagte Blatter auf der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in französischer Sprache. Durch die Wahl am Freitag habe er noch einmal das Mandat durch die Fifa-Mitglieder bekommen, "aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe. Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlich Kongress niederzulegen."

>> Die Blatter-Stellungnahme im Wortlaut

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3. Juni 2015)

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