Ostukraine: Kiew plant massive Aufrüstung

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Das Parlament machte derweil den Weg frei für die Stationierung internationaler Friedenstruppen. Dafür bräuchte es aber ein Mandat von UNO oder EU.

Nach den jüngsten Kämpfen im Donbass hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine massive Aufrüstung im Osten des Landes angekündigt. Mehr als 50.000 Soldaten seien derzeit im Kampfgebiet im Einsatz. Bis zum Jahresende soll die Kampfstärke auf insgesamt 250.000 erhöht werden. Nach einem Angriff prorussischer Separatisten wurde in den vergangenen Tagen auch wieder schweres Kriegsgerät in die Region gebracht. Während sich Kiew und Moskau gegenseitig für die neuerliche Eskalation verantwortlich machen, warnt die EU vor einer Gewaltspirale. Brüssel forderte die Konfliktparteien zum wiederholten Male auf, das Minsker Waffenruheabkommen umzusetzen.

Das Abkommen verbietet den Einsatz schweren Kriegsgerätes im Frontgebiet. Poroschenko verteidigte allerdings die Verlegung der Artillerie. Nach dem Angriff der Separatisten, bei dem binnen 24 Stunden mindestens 24 Menschen um ihr Leben kamen, sei es notwendig geworden, „angemessen“ zu reagieren.

Russland: Ukraine gefährdet Friedensplan

Die Aufständischen hatten nach Angaben der ukrainischen Armee einen groß angelegten Angriff auf die Regierungstruppen gestartet. Gekämpft wurde demnach nahe der Kleinstadt Marjinka, rund 20 Kilometer westlich der Rebellenhochburg Donezk. Die Aufständischen bestritten eine Offensive, bestätigten aber, dass es bei Marjinka Kämpfe gegeben habe.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf der Ukraine vor, den Minsker Friedensplan zu gefährden. Es werde die Verpflichtung gebrochen, einen Dialog mit prorussischen Vertretern aufzunehmen. Der Friedensprozess, so Lawrow, stehe deshalb unter konstanter Bedrohung. Poroschenko wiederum behauptet, dass mittlerweile 14 russische Kampftruppen mit insgesamt mehr als 9000 Soldaten an der Seite der Aufständischen kämpften. „Der Donbass hätte den Krieg bereits wie einen schlechten Traum vergessen, wenn Moskau genauso den Frieden gewollt hätte wie Kiew“, sagte der Staatschef am Donnerstag in einer Rede zur Lage der Nation.

Nato: Russische Aggressivität

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat indessen Russland ein zunehmend „aggressives“ Auftreten vorgeworfen. Moskau sei „aggressiver als noch vor einigen Jahren“ und zögere auch nicht, militärisch zu agieren, „um die Grenzen Europas zu verändern“, sagte Stoltenberg in einem Gespräch mit dm norwegischen Radiosender NRK. Zugleich sagte der Nato-Chef, er sehe derzeit „keine unmittelbare Bedrohung aus dem Osten für ein Nato-Mitglied“. Es gebe aber „mehr Unberechenbarkeit, mehr Unsicherheit und mehr Unruhe“.

Das ukrainische Parlament hat derweil vor dem Hintergrund der anhaltenden Kämpfe gegen Separatisten im Osten des Landes per Gesetz den Weg zum Einsatz internationaler Friedenstruppen frei gemacht. Erforderlich ist freilich ein Mandat der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen. Mit der Novelle seien auch Kampfeinsätze möglich, berichteten Medien am Donnerstag.

Die prowestliche Regierung in Kiew hatte sich mehrfach an die EU und den UN-Sicherheitsrat mit der Bitte gewandt, Soldaten für einen Einsatz etwa entlang der russischen Grenze im Separatistengebiet zu entsenden. Die Staatengemeinschaft ist aber uneins, ob eine solche Mission erfolgreich sein könnte. Eine mögliche Beteiligung Russlands an einem Einsatz lehnt die Ukraine ab - wegen der Unterstützung Moskaus für die Aufständischen im Unruhegebiet Donbass.

Rückkehr großkalibriger Waffen

Nach den heftigsten Gefechten seit Monaten bestätigten OSZE-Beobachter den Einsatz verbotener Waffen im Kriegsgebiet. Prorussische Separatisten hätten schwere Artillerie im Gebiet Donezk bewegt, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Donnerstag mit. Die ukrainische Militärführung habe sie zudem informiert, einen Angriff der Aufständischen mit schweren Geschützen erwidert zu haben.

Die Rückkehr großkalibriger Waffen ins Frontgebiet ist ein Rückschlag für den Friedensplan von Minsk. In der weißrussischen Hauptstadt hatten sich die Konfliktparteien Mitte Februar auf den Abzug der dieser Waffen fvon der Frontlinie geeinigt. Seitdem hat die Gewalt zwar abgenommen, beendet wurde sie aber nicht. Die Umsetzung der in der weißrussischen Hauptstadt vereinbarten Schritte zur Überwindung der Krise kommt kaum voran.

Insgesamt wurden in dem Konflikt in den vergangenen 14 Monaten nach UN-Angaben mehr als 6400 Menschen getötet und mehr als eine Million Menschen in die Flucht getrieben.

(APA/dpa)

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