Stan Wawrinka gewann die French Open. Novak Djoković muss weiter auf den Titel in Paris warten. Kein anderes Turnier hat große Karrieren so unvollendet gelassen.
Paris. Das Duell zwischen Novak Djoković und Stan Wawrinka ist in den vergangenen Jahren zu einem Tennis-Klassiker avanciert. Auch das Finale der French Open wurde zum bisher besten Match des Jahres. Sein allerbestes Tennis zeigte der Schweizer Wawrinka im vierten Satz, als er beim Stand von 3:4 drei Breakbälle abwerte, unmittelbar danach das Re-Break schaffte und bei eigenem Aufschlag nach 3:12 Stunden seinen zweiten Matchball verwandelte (4:6, 6:4, 6:3, 6:4).
„Das war das Match meines Lebens“, sagte der 30-Jährige unmittelbar danach. Wawrinka kassiert bei seinem zweiten Grand-Slam-Titel nach den Australian Open (2014) 1,8 Millionen Euro Preisgeld und stößt auf Rang vier der Weltrangliste vor. Der Romand beendete außerdem die beeindruckende Serie des Weltranglistenersten Djoković nach 28 Erfolgen hintereinander. "Es ist großartig, gerade gegen Novak im Finale. Ich weiß, wie wichtig es ihm ist, dieses Turnier zu gewinnen."
Auch nach seinem elften Antreten muss Djoković zumindest ein weiteres Jahr auf einen Erfolg in Paris warten. Es ist der einzige Grand-Slam-Titel, der ihm noch fehlt. Aber der Serbe ist in guter Gesellschaft, denn am Bois de Bologne blieben schon viele Karrieren unvollendet.
Der Fluch von Paris
Sein Coach Boris Becker kann ein Lied davon singen. Der Deutsche hat sich mit Ausnahme der French Open bei allen Grand-Slam-Turnieren in die Siegerliste eingetragen. In Paris reichte es nur für das Halbfinale. Auch Beckers großer Rivale Pete Sampras kam trotz 14 Grand-Slam-Titeln an der Seine nie über das Halbfinale hinaus. Und Jimmy Connors, der mit 102 Turniersiegen die ewige Bestenliste der meisten Einzel-Titel anführt, blieb der Titel in Paris ebenso verwehrt. „Es war, als läge ein Fluch auf mir“, sagte Connors einmal.
Besonders bitter für Djoković: Nachdem er in Paris sechsmal von Rafael Nadal gestoppt wurde, sah es heuer nach seinem glatten Viertelfinal-Sieg über den Spanier danach aus, als könnte es sein Jahr werden. Sogar der klassische Grand Slam, also alle vier Majors in einem Kalenderjahr zu gewinnen, war vorstellbar.
„Die French Open waren wie ein Monster für mich, dem ich irgendwie den Kopf abschlagen musste“ sagte Andre Agassi, als ihm das kaum noch erwartete Meisterstück 1999 doch noch gelang. „Paris ist großes Drama, ein Ort für viele unerfüllte Sehnsüchte und bittere Tränen“, wusste Agassi. Tränen konnte auch Djoković nach der Finalniederlage nicht verbergen. Minutenlang applaudierte ihm das Publikum, ehe er sagte: "Bis zum nächsten Jahr." (joe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2015)