Bootsflüchtlinge: Europas Quotenschlacht

ASYL: ZELTSTADT F�R FL�CHTLINGE IN SALZBURG
ASYL: ZELTSTADT F�R FL�CHTLINGE IN SALZBURG(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Brüssel will Bootsflüchtlinge gerechter aufteilen. Das umzusetzen wäre ein Husarenstück.

Wenn es vor dem Treffen der EU-Innenminister diese Woche einen weiteren Beleg für Europas Flüchtlingsmisere gebraucht hat, dann hat ihn Italien geliefert. Hunderte Flüchtlinge sind dort seit Tagen auf Bahnhöfen in Rom und Mailand gestrandet. Sie schlafen auf Kartons, leiden unter Mangelernährung. Es gibt erste Fälle der ansteckenden Krätze. Die Flüchtlinge wollen weiter. Österreich und Deutschland haben aber zuletzt (wegen des G7-Gipfels und der Bilderberg-Konferenz) ihre Grenzkontrollen verschärft, genau wie Frankreich, das binnen sieben Tagen 1439 Flüchtlinge aufgegriffen hat. An der Grenze nahe Nizza traten Flüchtlinge in einen Sitzstreik. „Wir wollen durch“, war auf einem Plakat zu lesen, während zeitgleich die EU-Spitze in Luxemburg das 30-Jahr-Jubiläum der Schengen-Vereinbarung beging.

Italiens Behörden sind mit den Bootsflüchtlingen indes notorisch überfordert, genau wie ihre griechische Kollegen. Nach der berüchtigten Dublin-II-Verordnung ist das erste europäische Land für das Asylverfahren zuständig, das der Flüchtling betritt. Die EU-Kommission will Italien und Griechenland nun entlasten, 40.000 Flüchtlinge, vor allem aus Syrien und Eritrea, sollen auf die EU-Mitglieder aufgeteilt werden. Am Dienstag beraten die EU-Innenminister erstmals über diesen auf zwei Jahre befristeten verbindlichen Quotenschlüssel, stimmen aber noch nicht ab.

Verhärtete Fronten. Die Fronten verlaufen zwischen Ost und West und entlang der Pyrenäen: Die meisten osteuropäischen Staaten lehnen wie Spanien und Portugal verpflichtende Quoten ab. Insgesamt seien zehn Länder dagegen, zitierten die Agenturen zuletzt aus EU-Ratskreisen. Zehn weitere seien dafür, der Rest habe sich noch nicht festgelegt oder habe kein Stimmrecht: Denn für Dänemark, Großbritannien und Irland gelten Ausnahmeregeln. Die zwei Schwergewichte Deutschland und Frankreich sind für den EU-Vorschlag, wollen aber eine Neuberechnung des Verteilungsschlüssels. Gemeinsam würden sie dem Kommissionsvorschlag nach 15.515 Flüchtlinge oder 38,8 Prozent aufnehmen müssen; Österreich, einer der großen Befürworter, käme auf 1213 Flüchtlinge oder 3,03 Prozent.

Europas Rechte schlachtet das Thema einstweilen politisch aus. In Ungarn polemisiert die Regierung mit einer Anti-Einwanderer-Plakatserie: „Wenn du nach Ungarn kommst, musst du unsere Gesetze einhalten!“, ist da etwa zu lesen. Premier Viktor Orbán erwägt zudem, die Grenze zu Serbien dichtzumachen. In Italien hat der Präsident der Lombardei, Roberto Maroni von der ausländerfeindlichen Lega Nord, ausgerichtet, man nehme keine weitere Flüchtlinge auf, wie das Rom verlangt.

IN ZAHLEN

In der EU wurden laut Eurostat 2014 mindestens 185.000 Asylwerber als schutzberechtigt anerkannt – ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Die meisten Anerkennun-gen gab es in Deutschland (47.555) und Schweden (33.025), Schlusslicht war Estland (20). Für Österreich wies Eurostat keine Zahlen aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

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