Volkswagen: Winterkorns Zukunftspläne

Deutschland Neckarsulm 22 05 2015 Prof Dr Martin Winterkorn Vorsitzender des Aufsichtsrats der
Deutschland Neckarsulm 22 05 2015 Prof Dr Martin Winterkorn Vorsitzender des Aufsichtsrats der(c) imago/sepp spiegl (imago stock&people)
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Vorstandschef Martin Winterkorn will den Konzern schlanker aufstellen. Dafür ist er sogar bereit, selbst Macht abzugeben. Selbstlosigkeit ist dabei aber nicht sein Motiv.

Wien. Der Volkswagen-Chef, Martin Winterkorn, will den Konzern in den nächsten Monaten total umbauen. Seine Pläne präsentierte er vergangenen Freitag dem Präsidium des Aufsichtsrates, das er kurzfristig zusammengerufen hatte. Das „Handelsblatt“ veröffentlichte Details seines Vorhabens. Demnach will Winterkorn die Strukturen bei Volkswagen deutlich abspecken. Als sicher gilt, dass die zwölf Marken des Konzerns in vier Holdings gruppiert werden (siehe Grafik).

Viele Befugnisse, die früher beim Konzernvorstand lagen, sollen auf die einzelnen Gruppen übertragen werden. Jede Holding wird – und das ist eine der wichtigsten Veränderungen in Winterkorns Plan – eigenverantwortlich und in Unabhängigkeit von der Zentrale in Wolfsburg über Produktion, Vertrieb und Strategie entscheiden dürfen.

Mit diesem Ja zur Dezentralisierung wird Winterkorn auch einer Forderung von Bernd Osterloh, dem einflussreichen Betriebsratschef des Konzerns, gerecht. Immer wieder hatte dieser in der Vergangenheit die Konzernstruktur kritisiert. Vor allem das selbstgefällige Machtkonglomerat in der Zentrale war Osterloh stets ein Dorn im Auge. „Hier in Wolfsburg glauben einige, sie wüssten, welche Autos die Brasilianer fahren wollen und welche Autos den Amerikanern und den Indern gefallen“, sagte er kürzlich in einem Interview im „Manager Magazin“.

Doch der Vorstandsvorsitzende Winterkorn beschneidet mit seiner Neustrukturierung auch großzügig seine eigene Macht. Bisher hatte der 68-Jährige im operativen Geschäft, vor allem bei der Marke VW, den Ton angegeben. Dem Vernehmen nach will er künftig nicht mehr in das tägliche Business eingreifen. Dass die Kernmarke VW völlig auf seine Person ausgerichtet ist, sah der Aufsichtsrat schon in der Vergangenheit nicht gern. So viel Machtfülle in einer Hand schafft Probleme, vor allem dann, wenn es für Winterkorn Zeit wird, den Chefsessel zu räumen.

Dezentrale Struktur erleichtert Abgang

Und Winterkorn, der in zwei Jahren 70 wird, weiß das auch. Gedanken, was er noch tun könnte, wenn er aus dem VW-Vorstand ausscheidet, wird er sich schon hie und da gemacht haben. Seine Reformpläne sprechen sehr dafür. Läuft alles nach seinen Vorstellungen, ruhen in Zukunft deutlich weniger Aufgaben auf seinen Schultern und Erfolg und Misserfolg des Konzerns werden nicht mehr nur mit seinem Gesicht assoziiert.

Und noch einen Vorteil hat eine dezentrale Struktur: Ein potenzieller Nachfolger schafft es leichter, nach ihm Fuß zu fassen. Ein Wechsel an die Spitze des VW-Aufsichtsrats wäre so für Winterkorn leichter möglich.

(C) DiePresse

Nach der geeigneten Person für diese Funktion halten die Eigentümer übrigens gerade Ausschau. Nachdem Ferdinand Piëch sein Mandat Ende April mit sofortiger Wirkung zurückgelegt hatte, übernahm der früherer Gewerkschaftschef Berthold Huber den Vorsitz, jedoch nur interimistisch.

Geht es nach Ministerpräsident Stephan Weil, der das Bundesland Niedersachsen als zweitgrößter Aktionär (siehe Grafik) im Aufsichtsrat vertritt, gibt es keine Notwendigkeit für eine hastige Lösung. Vielmehr sollten die Familien Porsche und Piëch einen Vorschlag unterbreiten. Sie sind die größten Aktionäre. Niedersachsen und der Großaktionär Katar hingegen haben bisher keinerlei Ambition auf den Vorsitz erkennen lassen. Laut „Handelsblatt“ zählen vor allem Hans Michel Piëch, Wolfgang Porsche und Ferdinand Oliver Porsche zu möglichen Kandidaten. Die beiden Erstgenannten ließen jedoch schon durchblicken, kein Interesse zu haben. Deshalb galt Oliver, der Neffe des abgesägten Patriarchen, bisher als Favorit.

Doch seitdem die aktuellen Pläne von Winterkorn bekannt wurden, bekommt eine andere Lösung Aufwind. Eine, die Ferdinand Piëch bis zuletzt mit allen Mitteln verhindern wollte. Sollte Winterkorn der Umbau gelingen, könnte er selbst den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen. Mit der Unterstützung von Niedersachsen und den beiden Familien wäre dieser Karriereschritt möglich.

Allerdings: Der fliegende Wechsel des Vorstandsvorsitzenden in den Vorsitz des Aufsichtsrats ist eigentlich verpönt. Denn ein Aufsichtsrat, der vorher Vorstand war, wird nur ungern seine vergangenen Entscheidungen kritisch hinterfragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2015)

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