Der Staat fördert ein antiquiertes Rollenbild

Die steuerliche Begünstigung für Alleinverdiener passt nicht ins 21. Jahrhundert.

Für alle, die in diesem Land Kinder haben, bringt die gestern präsentierte OECD-Studie keine große Neuigkeit. Dass es hierzulande schwer ist, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist elterlicher Alltag.

Das beginnt im Kindergarten und in der Schule, wo jeder Fenstertag als „schulautonomer Tag“ zu einem freien Tag wird und so mehrere kleine Miniurlaubsinseln entstehen, die pädagogisch völlig sinnlos sind und Berufstätige regelmäßig in die Bredouille bringen. In manchen Bundesländern sind die Kindergärten noch immer mehrere Wochen im Sommer geschlossen. Das klingt nach Steinzeit. Nach bildungs- und wirtschaftspolitischem Jurassic Park.

Es darf sich also wirklich niemand wundern, dass in kaum einem Industrieland der Einkommensunterschied zwischen Frau und Mann so groß wie in Österreich ist.

In diesem Zusammenhang klingt es ja direkt wie Hohn, wenn SPÖ-Staatssekretärin Sonja Steßl die Steuerreform als gelungenes Familienprojekt preist, weil die Erhöhung der Negativsteuer Anreize schafft, Billigjobs anzunehmen.

Wer Familien und Frauen helfen will, sollte nicht Billigjobs fördern, sondern für eine adäquate Kinderbetreuung sorgen. Und vor allem sollte der Staat damit aufhören, das tradierte Rollenbild auch noch mit 200Millionen Euro jährlich zu fördern.

Die Rede ist vom Alleinverdienerabsetzbetrag. Er kommt bei Weitem nicht nur jenen zugute, für die er gedacht sein sollte: den Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern. Dieser Alleinverdienerabsetzbetrag steht vor allem für eine nicht mehr zeitgemäße Sozialpolitik. Der Mann wird dafür vom Staat belohnt, dass die Frau bei den Kindern bleibt und maximal 6000Euro pro Jahr dazuverdient.

„Vater“ Staat sollte schleunigst im 21.Jahrhundert ankommen.

gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2015)

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