Stewardess: „Denke jeden Tag an die Passagiere“

ITAR TASS KIEV UKRAINE JULY 18 2014 Flowers candles and stuffed toys brought to the Embassy of
ITAR TASS KIEV UKRAINE JULY 18 2014 Flowers candles and stuffed toys brought to the Embassy of(c) imago/ITAR-TASS (imago stock&people)
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Eine Bodenstewardess erinnert sich an die Menschen, die sie auf Flug MH17 eingecheckt hat. Ein Polizist an die Angehörigen, eine Forensikerin an die Leichen.

Den Haag. „Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als meine Kollegin zu mir sagte: Flug MH17 ist abgestürzt. Ich muss noch jeden Tag an all die Menschen denken. Ich habe sie alle eingecheckt.“ Die Bodenstewardess der Malaysia Airlines, Renuka Manisha Viragna Birbal (23), wird die Erinnerung an den 17. Juli 2014 nicht los. Sie sieht noch das verliebte Flitterwochenpaar, das sich ständig küsste; sie sieht die alte Frau, die ganz allein war und an das andere Ende der Welt fliegen wollte, das Ehepaar, das mit seinen beiden Kindern spielt. Sie sieht noch das Mädchen, das ihr zulächelte, nachdem sie ihr den Boarding Pass gegeben hatte. Auch die Kollegin, die sich von ihr verabschiedete, als sie an Bord ging.

All das schrieb Renuka auf für die Zeitung „De Telegraaf“. Einen Mann checkte sie nicht ein. Sein Reisepass war abgelaufen. Und eine Familie mit drei Kindern ließ sich von ihr überreden, eine andere Maschine zu nehmen, denn der Flug MH17 war überbucht. Sie alle kamen später zu Renuka, um sich bei ihr zu bedanken. Denn irgendwie hat sie ihr Leben gerettet.

Heute, am 17. Juli, ein Jahr nach dem Abschuss der Boeing 777 von Flug MH17 über der Ostukraine wird Renuka „normal arbeiten“. Wieder in Amsterdam, noch immer für Malaysia Airlines, noch immer als Bodenstewardess. Sie bekommt auch oft Besuch von Angehörigen der 298 Opfer. „Kürzlich kamen die Kinder, die auf Flug MH17 ihren Vater verloren haben, zu mir. Sie wollten von mir wissen, was die letzten Worte ihres Vaters waren, als ich ihn eingecheckt habe. Ich habe es ihnen gesagt. Dann haben wir zusammen geweint.“

298 Menschen kamen an Bord der Boeing 777 ums Leben, 192 Niederländer, 43 Malaysier, 27 Australier, zwölf Indonesier, neun Briten, vier Belgier, vier Deutsche, drei Filipinos, ein Kanadier und ein Neuseeländer. All ihre Namen werden heute bei einer Gedenkfeier vorgelesen. Die Identität von zwei Opfern ist immer noch ungeklärt.

Die Katastrophe hat auch das Leben von Polizeioffizier Pieter-Jaap Aalbersberg völlig verändert. Unter seiner Leitung wurden die 298 Leichen oder Leichenteile der Passagiere von der Ostukraine zurück in die Niederlande geholt und identifiziert. Am meisten mitgenommen hat ihn das Leid der Angehörigen. „Das sind mehr als 1000 Menschen, die ihre Liebsten verloren haben“, sagt er.

Ellen van der Burgh ist Mitarbeiterin des forensischen Teams, das die Toten identifizierte. „Immer wenn ich das Namensschild auf einen der Särge schraubte, bekam ich Gänsehaut“, sagt sie. „Diese Arbeit verändert dich als Mensch. Man ist den ganzen Tag mit dem Tod beschäftigt und sieht, was von einem Menschen übrig bleibt. Man sieht und riecht den Tod ständig.“ (htz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2015)

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